Liebe Unterstützer*innen,

der letzte Monat war sehr ereignisreich mit vielen Veranstaltungen und Entwicklungen. Anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen häuften sich unsere Veranstaltungen zum Thema “Missing and Murdered Indigenous Women and Girls”, u.a. mit Vorträgen, einem Kinotag und natürlich der Demo am 25.11. selbst.

Wir möchten allen danken, die sich an Aktionen und Veranstaltungen beteiligt haben.

In den USA ist der November zugleich der “Native Heritage Month”, der Anlass geben sollte, über die Situation, Geschichte und Kultur der indigenen Völker nachzudenken — und die Politik, die seit Jahrhunderten bemüht war, genau letztere zu zerstören, indem sie in der Ausübung ihrer Identität bedroht und ihrer Lebensgrundlagen beraubt wurden bzw. immer noch werden.

“No thanks — no giving”link

Geschichtsklitterung ist ein althergebrachtes Mittel, um das eigene Unrecht zu verschleiern oder im Nachhinein zu leugnen. Der “Thanksgiving”-Feiertag in den USA (vierter Donnerstag im November) ist ein solches Beispiel. Meist wird die Geschichte hollywoodmäßig beschönigt, als hätten Indigene und Pilgrim Fathers traulich ums Lagerfeuer gesessen, um gemeinsam das großzügig von den Indigenen gespendete Festmahl zu verspeisen. Dabei gerät dann aus dem Blickfeld, dass diese Siedler*innen dann mit frisch gestärkten Kräften loszogen, um die Indianer*innen niederzumetzeln und ihnen das Land zu stehlen.

Seit einigen Jahren protestieren Indigene und Menschenrechtsgruppen gegen diese beschönigende Sicht von “Thanksgiving” und fordern stattdessen einen “Indigenous Day of Mourning”, einen “Indigenen Tag der Trauer”. Crystal Echo Hawk, Direktor von IllumiNative, und viele Aktivist*innenen, Akademiker*innen und Künstler*innen nutzen inzwischen den Hashtag #thankstaking, um die gängige Geschichtspropaganda zu entlarven, denn der Diebstahl an indigenem Land und Ressourcen geht bis heute weiter.

COP27link

Die Erwartungen im Vorfeld des 27. UN-Umweltgipfels (COP27), der vom 6.-20. November 2022 im ägyptischen Sharm el-Sheikh stattfand, schwankten zwischen Hoffnung und Skepsis, wobei sich vor allem letztere als begründet erwies, denn die Ergebnisse blieben weit hinter den dringlichen Strategien und Maßnahmen zurück, die erforderlich sind, um eine Umkehr in der Klimapolitik und damit eine Bekämpfung des Klimawandels zu bewirken. Daran konnten auch die Ergebnisse der letzten Stunden in der Verlängerung — die Konferenz sollte ursprünglich am 18.11. enden — nichts ändern.

Diskussionen um “loss and damage”, d.h. um Entschädigungen für die besonders stark betroffenen Länder des sogenannten “Globalen Südens” (der schwierige Begriff ignoriert zu häufig die betroffenen Indigenen in USA und Kanada) allein bewirken noch kein Umdenken in der gegenwärtigen und künftigen Umweltpolitik.

Rund 250 indigene Vertreter*innen waren aus aller Welt nach Ägypten angereist, doch sie wurden meist an den Rand gedrängt. So sprach Yessie Mosby, Vertreter der Torres Strait Islanders, von “demütigender Behandlung” der Indigenen während des Gipfels. “Die Welt kann viel von uns lernen”, aber sie hört nicht zu.

Auch das “International Indigenous Peoples‘ Forum on Climate Change” zeigte sich enttäuscht vom Ergebnis der Konferenz: “Die Dringlichkeit und die Hoffnungen, die wir noch in der ersten Woche von den Staats- und Regierungschefs und den Vertragsparteien gehört haben, wurden schnell von falschen Lösungen überschattet, die die Emissionen nicht an der Quelle reduzieren — einschließlich der Abhängigkeit von Kohlenstoffmärkten, ‚Netto-Null‘-Rahmenwerken und ‚naturbasierten Lösungen‘ —, die echte Reduzierungen verzögern, neue Formen des Klimakolonialismus wiederholen und das Ziel von 1,5 Grad verfehlen.”

Tom Goldtooth (Dineh), Delegierter des Indigenous Environmental Network, kritisierte, dass indigene Völker lediglich in der Präambel des „Sharm El Sheikh Implementation Plan“ auftauchen, aber ansonsten völlig ignoriert werden. Die Scheinlösungen fallen daher sogar hinter das Pariser Klimaabkommen zurück, das den Dialog mit den indigenen Völkern und die Einbeziehung traditionellen Wissens beschwor.

„White House Tribal Nations Summit“

Blieb den Indigenen nur zu hoffen, dass wenigstens US-Präsident Joe Biden ihnen beim „10th White House Tribal Nations Summit“ (30.11.-01.12.2022) zuhören würde. Nach der Amtszeit von Donald Trump, welcher die Indigenen nicht ins Weiße Haus eingeladen hatte, und der pandemiebedingten Pause war dies der erste physische Gipfel zwischen der Regierung und den Indigenen seit Jahren. Rund 300 Delegierte folgten der Einladung, insbesondere auch um die indigene Innenministerin Deb Haaland (Laguna Pueblo) und ihren Stellvertreter Bryan Newland (Ojibwe), den Chef des Bureau of Indian Affairs (BIA), zu treffen. Natürlich verwies der Präsident auf all die Programme und Maßnahmen, welche seine Regierung unternommen habe, um die Probleme in „Indian Country“ zu bekämpfen, u.a. hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels, aber auch zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in den Reservaten.

Ein Thema sprach der Präsident in seiner Rede zur Eröffnung des Gipfels nicht an, das vielen am Herzen liegt: Leonard Peltiers Begnadigung.

Appelle zur Freilassung von Leonard Peltierlink

Nur zwei Wochen zuvor, am 13. November 2022, hatte der “Leonard Peltier’s Walk to Justice” die Hauptstadt erreicht. Rund 2.000 Unterstützer*innen schlossen sich dem Marsch an, der am 1. September in Minneapolis gestartet war und bis zum Lincoln Memorial in Washington führte. Der 78-jährige Aktivist des American Indian Movement hat die letzten 48 Jahre als politischer Gefangener hinter Gittern verbracht. Er wurde in einem zwielichtigen Verfahren mit falschen Beweisen und erzwungenen Aussagen für ein Tat verurteilt, die er stets abgestritten hat. Leonard Peltier (Turtle Mountain Chippewa) leidet an einer ganzen Reihe von Krankheiten, so dass er nicht zuletzt längst aus humanitären Gründen hätte entlassen werden müssen.

Bereits seit Jahrzehnten fordern Menschen in aller Welt seine Freilassung. Anlässlich des “Walk to Justice” haben sich auch sieben US-Senator*innen, u.a. Bernie Sanders, Elizabeth Warren und Patrick Leahy, in einem Brief an Präsident Biden gewandt mit der Bitte um eine Begnadigung für Leonard Peltier, damit er die letzten Jahre im Kreis seiner Familie verbringen kann. Selbst der ehemalige Staatsanwalt James Reynolds unterstützt inzwischen diese Forderung.

Internationale Dekade der indigenen Sprachen (2022 — 2032)link

Nachdem die Vereinten Nationen bereits 2019 zum “Internationalen Jahr der indigenen Sprachen” erklärt hatten, folgt nun die “International Decade of Indigenous Languages”, die mit einem feierlichen Event am 13. Dezember 2022 am Sitz der UNESCO in Paris eröffnet wird. Zur Feier werden Vertreter*innen indigener Völker, Staaten und der Vereinten Nationen zusammenkommen. Dabei soll neben kulturellen Darbietungen auch der konkrete Aktionsplan zum Erhalt bzw. der Revitalisierung der indigenen Sprachen diskutiert werden.

Insgesamt gibt es nach UNESCO-Angaben derzeit weltweit noch 7.000 Sprachen. Davon gelten 2.680 als gefährdet. Dies gilt auch und besonders für die rund 5.000 indigenen Kulturen in 90 Ländern dieser Welt, deren Recht auf ihre eigene Sprache bislang nur lückenhaft umgesetzt ist — und damit ihr Recht auf selbstbestimmte Entwicklung. Viele Sprachen sind durch Kolonisation und Unterdrückung, aber auch durch Völkermord bereits verschwunden. In anderen indigenen Gemeinschaften leben nur noch wenige, die ihre Sprache vollständig beherrschen. Insbesondere Indigene in Nordamerika, die von der alltäglichen Dominanz der englischen (bzw. französischen) Sprache umgeben sind, haben schon seit längerem angefangen, ihre Sprache wiederzubeleben, doch es braucht dafür Unterstützung und finanzielle Mittel, z.B. für Unterricht oder Online-Programme.

Die Eröffnungsfeier der Dekade am 13.12.2022 wird online übertragen. Infos.link-external

“Down the Mighty River”: Filmvorführung und Gespräch mit Ernest Webb (James Bay Cree)link

Im Rahmen der Ausstellung “A River Drowned by Water” (Claus Biegert/Rainer Wittenborn), welche derzeit noch bis 22.12.2022 in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München zu sehen ist und die Auswirkungen des Hydro-Projekts auf die James Bay Cree in Quebec thematisiert, veranstaltet das Museum Fünf Kontinente München am 15. Dezember 2022 um 1900 Uhr einen Filmabend mit Gesprächsrunde.

Der Filmemacher Ernest Webb, selbst James Bay Cree, hat in seinem sechsteiligen Dokumentarfilm “Down the Mighty River” (je 22 Min., Kanada, 2019) ebenfalls die Auswirkungen des James-Bay-II-Projekts auf das Land und damit die Cree dokumentiert. Dabei folgte er einer Gruppe von Cree-Jugendlichen auf ihrer Kanufahrt entlang des 600 km langen Rupert River. Ernest Webb präsentiert eine Auswahl dieser Dokus und wird über die Veränderung im Leben der Cree berichten. Die Moderation übernimmt Claus Biegert.

Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt, der Eintritt ist frei. Info

9. Indianer Inuit: Das Nordamerika-Filmfestivallink

Nach der pandemiebedingten Pause findet das renommierte Filmfestival in Stuttgart endlich wieder live statt und präsentiert eine ausgesuchte Auswahl indigenen Filmschaffens sowie auch indigene Filmschaffende selbst. Zu den diesjährigen Gästen zählt die preisgekrönte Cree-Filmemacherin Dr. Jules Arita Koostachin (Attawapiskat, Moose Factory, Ontario). Koostachin ist Mitglied der Directors Guild of Canada und hat Dokumentarfilm an der Ryerson University in Toronto studiert. Sera-Lys McArthur (Nakota/ Assiniboine Nation, Saskatchewan) ist nicht nur Schauspielerin und Produzentin, sondern arbeitet auch als Model. Sie hat in New York und im englischen Essex Schauspiel studiert und hatte zahlreiche Rollen in Film, Fernsehen und auf der Bühne.

Das Filmfestival pflegt auch eine enge Kooperation mit dem Institute of American Indian Arts in Santa Fe, das James Lujan, Dozent am AIAI, in Stuttgart vertreten wird. Im Rahmenprogramm des Festivals wird Amber-Dawn Bear Robe (Siksika Nation, Alberta, Kanada) die Fotoausstellung “Native Runway” präsentieren. 2014 organisierte sie die erste indigene Haute Couture Fashion Show für die Southwestern Association for Indian Arts (SWAIA) in Santa Fe. Zudem gibt es im Rahmenprogramm Konzerte, Vorträge und Workshops.

Das Festival ist einzigartig in Europa: „Exklusiv in Stuttgart werden seit 2004 alle zwei Jahre Filme gezeigt, in denen Indianer und Inuit als Regisseure, Schauspieler und Drehbuchautoren ihre Kulturen und Lebenswirklichkeiten vorstellen. Ziel des Filmfestivals ist es, diese besonderen indigenen Filme einem breiten europäischen Publikum zugänglich zu machen. Besucher*innen haben im Anschluss an die Filmvorführungen Gelegenheit zu Gesprächen und Diskussionen mit Drehbuchautoren, Filmschaffenden und Schauspielern.“ (Pressemitteilung vom November 2022)

Indianer Inuit - Das Nordamerika-Filmfestival, 02.-05.02.2022, Treffpunkt Rotebühl, Stuttgart, Infos, (Trailerlink-external.

5.12. Internationaler Tag des Ehrenamts / Spendenlink

Am 05.12. ist der Internationale Tag des Ehrenamts — doch leider gibt es zum Ehrentag keine Geschenke.

Alles wird bekanntlich teurer — so auch unsere Miete (von gestiegenen Nebenkosten ganz zu schweigen). Doch wir sind auf das Büro angewiesen — allein schon für unsere wachsende Bibliothek, die derzeit auch elektronisch erfasst wird. Auch Materialien für Aktionen, Kundgebungen, Demos und Veranstaltungen wollen bezahlt sein.

Zudem planen wir nächstes Jahr zum UN Permanent Forum on Indigenous Issues nach New York zu fahren, denn dort können wir einen Großteil der Indigenen treffen, deren Anliegen wir unterstützen und uns mit ihnen für weitere Kampagnen koordinieren. Das geht nicht immer nur per Zoom. Insbesondere auch für unsere Kampagne zu Missing and Murdered Indigeneous Women, die ja sensible Themen betrifft, ist der persönliche Austausch besonders wichtig.

Wir möchten wir uns bei allen bedanken, die uns bislang finanziell unterstützt haben, denn selbst ehrenamtliches Engagement für die Rechte indigener Völker braucht schlicht Geld.

Deshalb sind wir weiterhin auf Eure Unterstützung angewiesen.

In Solidarität mit dem Selbstbestimmungsrechte der indigenen Völker!

Herzliche Grüße

Monika Seiller

Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V.
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Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. (AGIM) ist ein gemeinnütziger Verein (gegr. 1986) zur Unterstützung der Rechte der indigenen Völker Nordamerikas und Herausgeberin des Magazins COYOTE.

AGIM e.V. (Action Group for Indigenous and Human Rights, est. 1986) is a non-profit human rights organization dedicated to supporting the right to self-determination of Indigenous peoples in North America. We publish a quarterly magazine COYOTE.

Bankverbindung: IBAN DE28 7015 0000 0017 2234 70 / BIC: SSKMDEMM / Stadtsparkasse München

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