Liebe Unterstützer*innen,
neben einigen traurige Meldungen gibt es auch einige positive Entwicklungen zu berichten.
Weitere Gräber von Opfern der Residential School entdeckt
Der Skandal um die Opfer der Residential Schools gewinnt zunehmend an Dramatik. Nachdem zunächst Ende Mai 2021 auf dem Gelände der „Kamloops Residential School“ in British Columbia die Überreste von 215 indigenen Kindern entdeckt wurden, welche das grausame System der Internatsschulen nicht überlebten (vgl. Newsletter 2021-05), mehren sich Berichte über weitere Gräber. So berichtete Ende Juni die Cowessess First Nation von 751 anonymen Gräbern, die mit Hilfe von Bodenradargeräten auf dem Gelände der früheren „Marieval Residential School“ in Saskatchewan entdeckt wurden. Die Internatsschule 160 km östlich von Regina wurde 1899 von katholischen Missionaren gegründet und erst 1996 als eine der letzten geschlossen. „Wir hatten immer gewusst, dass es dort Gräber gibt“, erklärte Cowessess First Nation Chief Cadmus Delorme, der mit weiteren Funden rechnet. Gleichzeitig meldete die Lower Kootenay First Nation in British Columbia die Entdeckung von weiteren 182 Gräbern nahe der früheren „St. Eugene’s Mission School“.
Es wird nicht lange dauern, bis weitere Gräber entdeckt werden. Über ein Jahrhundert mussten rund 150.000 indigene Kinder diese Internatsschulen besuchen und die Zahl der Opfer dieses Zwangssystems lässt sich kaum schätzen. Bereits im Herbst 2019 berichteten wir in unserem Magazin Coyote über eine Gedenkzeremonie in Gatineau anlässlich der Enthüllung der Namen von 2.800 indigenen Kindern, die in den Residential Schools ums Leben kamen. Dennoch verdrängten Regierung und Kirchen weitgehend ihre Verantwortung für dieses Verbrechen.
Während Kanadas Premierminister nun sein „Bedauern“ bekundet und „Unterstützung“ für die Betroffenen verspricht, konnte sich die katholische Kirche noch immer nicht zu einer offiziellen Entschuldigung durchringen. Es wurde lediglich angekündigt, dass sich Papst Franziskus im Dezember mit Indigenen treffen will.
Statuen von Viktoria und Elizabeth gestürzt
Halbherzige Entschuldigungen und Lippenbekenntnisse genügen jedoch nicht mehr – nachdem Mitte Juni bereits einige Statuen gestürzt wurden, u.a. von Egerton Ryerson, einem der Wegbereiter des Internatssystems, wurden nun an Kanadas Nationalfeiertag, dem 01.07., auch die Statuen von Königin Viktoria und Königin Elizabeth II vom Sockel geholt. Aufgebrachte Demonstranten marschierten in Winnipeg zum Parlamentsgebäude und stürzten die Symbole des Kolonialismus: „No Pride in Genocide“.
US-Innenministerin Deb Haaland kündigt Untersuchung an
Nicht nur in Kanada mussten die Indigenen unter der Politik des „Kill the Indian, Save the Man!“ leiden. Auch in den USA wurden die Kinder zwangsweise in die Boarding Schools geschickt. Auch hier gilt es noch zahllose Gräber zu finden. Verantwortlich für die Internatspolitik war das US-Innenministerium, dessen erste indigene Ministerin nun eine „Federal Indian Boarding School Initiative“ ankündigte, um auch in den USA Gräber von Opfern der Internatsschulen zu entdecken.
Im Juni wurden die Überreste von zehn indigenen Kindern, die an der bekanntesten Boarding School, der „Carlisle Indian Industrial School“ in Pennsylvania, gestorben waren, an ihre Familien zurückgegeben. Neun der Kinder stammten von der Rosebud Reservation in South Dakota, eines von Saint Paul Island im fernen Alaska.
Leonard Crow Dog gestorben
Leonard Crow Dog war Medizinmann und Aktivist – eine der bekanntesten Persönlichkeiten, welche den Aufbruch des American Indian Movements in den 1970ern prägten. Der Lakota, der 1942 auf der Rosebud Indian Reservation in South Dakota geboren wurde, war zugleich einer der angesehensten spirituellen Führer des indigenen Widerstands, u.a. bei der Besetzung von Wounded Knee 1973, aber auch im Kampf gegen die Dakota Access Pipeline. Auf seinem Anwesen „Crow Dog’s Paradise“ starb er nun im Kreis seiner Familie im Alter von 79 Jahren. Eine ausführliche Erinnerung von Claus Biegert folgt im nächsten Coyote.
Abschied von Rex Tilousi (1947 – 2021)
Mit dem Tod von Rex Tilousi am 19. Juni hat Indian Country eine weitere wichtige Persönlichkeit des indigenen Widerstands verloren, die weit über seine Heimat hinauswirkte. Der Havasupai aus Arizona war eine der bedeutenden Stimmen gegen Uranabbau und Atomkraft. Lange Jahre war Rex Stammesratsvorsitzender der Havasupai, des kleinen Volkes am Grunde des Grand Canyon, das sich der Bedrohung durch den Uranabbau in unmittelbarer Nähe zur Wehr setzen musste und muss. Auch in Europa trat Rex als Mahner gegen den atomaren Wahnsinn in Erscheinung. Ein Nachruf folgt im nächsten Coyote.
Peltier-Aktionsmonat
Wie im letzten Newsletter bzw. im Coyote angekündigt fanden im Juni zahlreiche Aktionen – auch in Europa – statt, um den politischen Gefangenen Leonard Peltier zu unterstützen und seine Freilassung zu verlangen. Der 77-Jährige sitzt seit 45 Jahren in Haft. Wir bedanken uns bei allen, die sich u.a. an der Postkartenaktion beteiligt haben. Ein Bericht über die Aktionen folgt im Coyote.
Pulitzer-Preis für indigene Autorinnen
Louise Erdrich ist wohl eine der bekanntesten indigenen Autorinnen, deren Werke auch im deutschsprachigen Raum eine breite Leserschaft finden. Erdrich wurde bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet, doch nun ging erstmals der Pulitzer-Preis an zwei indigene Autorinnen: Erdrich (Chippewa) erhielt den Preis für ihren Roman „The Night Watchman“, der dieser Tag auch in deutscher Übersetzung im Aufbau erscheint (Rezension folgt). Natalie Diaz (Gila River Indian Tribe) erhielt den Pulitzer-Lyrikpreis für ihre Gedichtsammlung „Postcolonial Love Poem“.
Rückgabe des „Hair Shirt“ von Chief Hollow Horn Bear
Wie das Weltkulturenmuseum in Frankfurt im Juni verkündete, gibt das Museum nach jahrelangen Bemühungen der Nachfahren von Chief Hollow Horn Bear im Zuge der Restitutionsdebatte ein Lederhemd des Chiefs an die Familie zurück. So erfreulich die Rückgabe im Einzelfall sein mag, sind die Sammlungen und Museen allen Lippenbekenntnissen und Verlautbarungen zum Trotz keineswegs plötzlich in Rückgabelaune. Wie der Streit um die Benin-Bronzen zeigt, betrachten viele Einrichtungen sich noch viel zu häufig als „würdige Hüter“ geraubten Kulturguts aus aller Welt – insbesondere, wenn es um indigene Völker geht, die häufig nicht einmal Einblick in die Archive und Bestandslisten erhalten.
Aufgrund der allgemeinen Corona-Maßnahmen konnten wir in den letzten Monaten keine öffentlichen Veranstaltungen durchführen und sind auch mit Planungen jenseits der Sommerpause noch zurückhaltend. Umso mehr freut uns, wenn Ihr uns auch finanziell bei unserem Einsatz für die Rechte der indigenen Völker unterstützt. Wir möchten uns daher an dieser Stelle nochmals herzlich für die anhaltende Unterstützung bedanken und hoffen, Euch demnächst wieder Veranstaltungen anbieten zu können.
Herzliche Grüße
In Solidarität mit den indigenen Völkern
Monika Seiller
Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V.
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Indianer-Netzwerk
Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. (AGIM) ist ein gemeinnütziger Verein (gegr. 1986) zur Unterstützung der Rechte der indigenen Völker Nordamerikas und Herausgeberin des Magazins COYOTE.
AGIM e.V. (Action Group for Indigenous and Human Rights, est. 1986) is a non-profit human rights organization dedicated to supporting the right to self-determination of Indigenous peoples in North America. We publish a quarterly magazine COYOTE.
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