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I’m a crow – an afternoon with Milo Yellow Hair

I'm a crow – an afternoon with Milo Yellow Hair (Foto 2009 SimNic Films) „Du musst dir den Wind zum Freund machen“
Ein Interviewfilm mit Milo Yellow Hair
von Dionys Zink
(veröffentlicht 3/2009)

„Die unterhaltendste Fläche auf dieser Erde für uns ist die vom menschlichen Gesicht.“, sagte Johann Christoph Lichtenberg, der bekanntlich auch die Entdeckung Amerikas kommentierte. Dieses Umstands war sich wohl auch Simone Fürbringer bewusst, die mit „I’m a crow – an afternoon with Milo Yellow Hair“ einen eher ungewöhnlichen Dokumentarfilm produzierte. Ihr Film wurde im Rahmen des UNDERDOX-Festivals am 4. Oktober im Münchener Filmmuseum uraufgeführt.

Ursprünglich verfolgte die Dokumentarfilmerin aus Basel und München mit Unterstützung von Nicolas Humbert eine andere Idee. Sie wollten interessante Zeitgenossen zu ihren Vorstellungen von „Erinnerung“ befragen. Dabei sollte eine Serie von beziehungsreichen Einzelporträts entstehen, die auf der Grundlage von elf - nur scheinbar simplen - Fragen zum Thema beruhen. Einer der Interviewfilme stellt zum Beispiel den Technik-Kritiker Joseph Weizenbaum vom Massachussetts Institute of Technology vor, der kurze Zeit danach verstarb.

Minimalistisches Konzept
Das Interview mit dem mittlerweile 59-jährigen Milo Yellow Hair fand eher spontan statt. Simone Fürbringer hatte Milos Stimme in einer Sondersendung des Bayerischen Rundfunks gehört und war neugierig geworden. Claus Biegert vermittelte dann den Kontakt. Auf die Anfrage nach einem Termin bekamen die Regisseure eine ebenso typische wie überraschende Antwort: „Jetzt gleich!“ An einem Nachmittag gelang ihnen mit einem minimalistischen Ansatz ein Interviewfilm, der viele Freunde und Weggefährten Milos interessieren und vielen an Indianern Interessierten einen ersten Zugang zum „berühmtesten Lachen westlich des Mississippi“ (Claus Biegert) eröffnen kann. Dabei geht es nicht direkt um aktuelle Fragen zum politischen Geschehen in den USA oder in Milos unmittelbarer Heimat, sondern eher um Werthaltungen persönlicher Art.

Simone Fürbringer und Milo Yello Hair (Foto: Coyote, 2009) Milo stellt sich konsequenterweise dann den Fragen auch auf die denkbar persönlichste Weise. Er erzählt von seiner eigenen Namensgebungszeremonie, die ihm den den Weg für die Aufgabe vorzeichnete in zwei Welten zugleich zu leben. Er erzählt er von seinen Überzeugungen und Ansichten zu Fragen wie „Ist unsere Identität von unseren Erinnerungen begrenzt?“ oder „Was geschieht, wenn die Verbindung zwischen dem Leben und Erinnerungen unterbrochen wird?“

Als eine der wichtigsten frühen Kindheitserinnerungen betrachtet Milo eine Situation, in der ihn der ewige Wind in seiner Heimat beim Spiel mit Spielzeugautos störte. Seine Großmutter lehrte den gereizten Jungen, dass man sich den Wind zum Freund machen müsse, weil man mit ihm zu leben habe und er nur so zu ertragen sei.

Einer der zentralen Begriffe in Milos Denken ist der englische Ausdruck „understanding“, der in den deutschen Übersetzungen mehr als nur „Verstehen“ und „verstehen“ oder „begreifen“ als Vorgang bedeutet. Man kann ihn auch mit „Verständnis“ und (wechselseitigem) „Einverständnis“,„Einvernehmen“ und „Einsicht gewinnen“ übertragen.

Understanding
„Es ist einfach in Schmerzen zu versinken, es ist einfach verärgert zu sein, es ist einfach dagegen anzuwüten. Wenn man jedoch nach wahrem Sinn, wahrhaftigem Verständnis und wahrem Wissen sucht, verschwindet dieser Zorn mit dieser Art von Verständnis. (…) Ich hatte keine Angst zu lernen, diesen Schritt zu unternehmen von Amerika aus durch andere Weltgegenden zu ziehen. Für mich war das Munition für die Zukunft. So begriff ich, warum ich die nicht-indianische Lebensweise kennen lernen musste und auch warum ich die Lebensweise der Lakota verstehen lernen und preisen musste. Denn ich glaube, dass die Leute in Amerika, also diejenigen, die von anderen Orten der Welt aus Amerika besiedelten, niemals verstanden, was sie zerstörten: Wie man sich den Wind zum Freund macht und Schönheit begreift.“

„Wenn man es sich zur Aufgabe gemacht hat, dieser Spur zu folgen, diesen Weg zu gehen, ein wechselseitiges Verständnis zu schaffen, die Fragen zu beantworten wo wir herkommen, wie es uns ergeht und was dies für uns bedeutet, ist es manchmal einfach aufzugeben, aufzuhören zu leben, sich dem Zorn hinzugeben.“

Dionys Zink im Gespräch mit Milo Yellow Hair (Foto: Coyote 2009) Mitteilungen, wie sie Milo und Simone Fürbringer dem Zuschauer präsentieren, bergen eine Gefahr, die auch bei Stellungnahmen etwa so prominenter Personen der Zeitgeschichte wie denen des Dalai Lama sichtbar wird. Europäische Zuschauer begegnen diesen Mitteilungen mit bestimmten vorgefassten Erwartungen, mittels derer dann herausgefiltert wird, was man gerne zur Bestätigung die eigenen Haltung hören will. Gerade deshalb scheint es wichtig, sich mit „understanding“ zu befassen.

„Ich nicht spreken Enklish“
Das heutige Verhältnis zum technischen Wissen vergleicht Milo mit einem Supermarkt. Es werde immer nur die Funktionaliät diskutiert, nie aber das Wesen der Technik. (Aus-)Bildung sei lediglich ein Mittel zum Zweck. „Eines Tages werden wir dafür die Rechnung präsentiert bekommen. Und wenn es soweit ist, fürchte ich, werden wir kein Geld haben um zu bezahlen. Wenn die Rechnung fällig ist, wird jeder sagen: ‚Ich nicht spreken Enklish.’“

Am Schluss des Interviews sind ein paar krächzende Krähen im Hintergrund zu hören. Die Filmemacher und Milo fanden, dies sei ein passender Abschluss des Interview-Nachmittags als er sagte „I am a crow.“ Die Zuschauer bei der Uraufführung verstanden diesen vieldeutigen Witz wohl nicht alle, ist doch nur wenigen bewusst, dass ausgerechnet die Crow-Indianer zu den traditionellen Feinden der Lakota gehörten. Doch das tut vielleicht wenig zur Sache, wenn man bedenkt, dass den Filmemachern in wenigen Stunden festzuhalten gelang, was die langjährige Beziehung zwischen Milo und seinem europäischen Publikum ausmacht, nämlich das fortgesetzte Bemühen um „Understanding“.

Lichtenberg meinte zur Entdeckung Amerikas „Der erste Amerikaner, der Kolumbus begegnete, machte eine furchtbare Entdeckung.“ Milo begegnete seinen europäischen Partnern in vielerlei Gestalt, als Repräsentant des Lakota Treaty Council, als Reiseführer zu den Schauplätzen der Lakota-Geschichte, als Radiojournalist für KILI-Radio (The Voice of the Oglala-Lakota Nation) oder auch als stellvertretender Stammesvorsitzender der Pine Ridge Indian Reservation. In jeder Rolle zeigte sich Milo als Freund der neugierigen und engagierten Unterstützer. In diesem Film kann man in kurzer Zeit erfahren, was jemand wie diesen Mittler zwischen den Welten bewegt und antreibt, trotz einer post-kolumbianischen Geschichte, die gerade im Fall der Oglala-Lakota haarsträubender nicht sein könnte.

Simone Fürbringer und Nicolas Humbert: I’m a crow – an afternoon with Milo Yellow Hair wurde erstmalig im Rahmen des underdox Festivals in München gezeigt.
Der Film mit einer Länge von 78 Minuten in englischer Originalsprache ist auch auf DVD über AGIM oder direkt bei den Autoren zu beziehen (SimNic Films, Nicolas Humbert und Simone Fürbringer, Aventinstr. 1 80469 München, Email-Kontakt: nicolas.humbert@gmx.de ).

Weil Milo vergleichsweise langsam spricht, ist der Inhalt auch für ein sprachlich weniger versiertes Publikum verständlich.

I’m a crow – an afternoon with Milo Yellow Hair
SimNic Films, Deutschland 2009
Drehbuch und Regie: Simone Fürbringer, Nicolas Humbert

Erstellt von oliver. Letzte Änderung: Mittwoch, 15. Juli 2020 11:50:05 CEST von admin. (Version 10)

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