Liebe Unterstützer*innen,
nachfolgend möchten wir über die jüngsten Ereignisse berichten, aktuelle Kampagnen vorstellen und auf anstehende Termine hinweisen:
- Papst “entschuldigt” sich bei den Opfern der Internatsschulen
- CETA-Ratifizierung stoppen!
- UN: Saubere Umwelt ist ein Menschenrecht
- Indigene Frauenpower im NONAM
- Nie wieder! Kundgebung zum Hiroshima-Tag
- Internationaler Tag der indigenen Völker
- “Leave it in the Ground” — Anna Rondon und der Widerstand gegen Uranabbau
Papst “entschuldigt” sich bei den Opfern der Internatsschulen
Das Thema hat es dieser Tage auch auf die Titelseiten der deutschsprachigen Presse geschafft: Papst Franziskus hat sich während seines Kanadabesuchs Ende Juli 2022 bei den Opfern der Residential Schools entschuldigt. Die Residential Schools wurden meist von der katholischen Kirche seit dem 19. Jahrhundert bis 1996 geleitet wurden, um aus rund 150.000 indigenen Kindern zwangsweise “christliche Mündel” zu machen. Nachdem sich 2008 Kanadas damaliger Premierminister Stephen Harper bei den Indigenen für das erlittene Unrecht entschuldigt hatte, gleichzeitig jedoch die Hauptverantwortung bei der Kirche abzuladen versuchte, drängten die Indigenen auf eine Entschuldigung der Kirchen als ausführende Institutionen.
Nach den Funden von tausenden Kinderleichen im Umfeld der früheren Residential Schools im vergangenen Jahr wuchs der Druck auf die Verantwortlichen. Während andere Kirchen wie die anglikanische Kirche sich bereits entschuldigten, lastete die Bringschuld vor allem auf dem Vatikan. Als der Papst zu einem ersten Treffen in Mascwacis, Alberta, eintraf, um mit Opfern der Ermineskin Residential School zusammenzutreffen, beschränkte er sich zur Enttäuschung vieler Indigener lediglich darauf, von “schwarzen Schafen” innerhalb der Christenheit zu reden, weigerte sich jedoch die Institution der Kirche in die Verantwortung zu nehmen.
Besondere Kritik unter den Indigenen rief vor allem die Überreichung einer Federhaube an den Papst durch Wilton Littlechild (Cree, Treaty 6 Nation) hervor. Littlechild, der selbst seine Kindheit und Jugend in der Ermineskin Residential School verbrachte und Opfer von Missbrauch war, war einer drei Kommissionsmitglieder der Truth & Reconciliation Commission, welche die Geschichte der Residential Schools aufklären sollte, 2015 im Abschlussbericht von “kulturellem Völkermord” sprach und eine offizielle Entschuldigung des Papstes forderte.
Trotz einer erfolgreichen Anwaltskarriere und jahrzehntelangen Engagements bei den Vereinten Nationen ist der frühere kanadische Parlamentsabgeordnete ein trauriges Beispiel der Gehirnwäsche durch das Internatssystem. Littlechild erklärte, er fühle sich äußerst geehrt, dass der Papst ausgerechnet seine Heimatgemeinde für ein erstes Treffen mit den Indigenen ausgewählt habe. Fast könnte man ihm ein klassisches Stockholm Syndrom unterstellen, denn statt den Vatikan wegen der Verbrechen an den Kindern anzugreifen, schenkte er ihm die Federhaube seines eigenen Großvaters, bei dem er die ersten Jahre aufgewachsen ist. In einem Interview rechtfertigte er seine Aktion damit, dass ja auch andere Indigene in der Vergangenheit zahlreiche “Würdenträger” auf diese Weise geehrt hätten, z.B. die Premierminister Steven Harper, Justin Trudeau, John Diefenbacher und Jean Chretien und sogar Prinz Charles. Die meisten dieser Ehrungen erfolgten ebenfalls in Alberta, ausgerechnet jener Provinz, die mit ihrer Ressourcenpolitik (z.B. Teersandgewinnung) die Landrechte der Indigenen besonders aggressiv verletzt.
Während die Medien bei uns die bunten Bilder vom Papst mit Federhaube bereitwillig aufgriffen, wurde über die Kritik der Indigenen an der verharmlosenden “Entschuldigung” deutlich weniger berichtet. Die indigenen Vorwürfe richten sich insbesondere gegen die Weigerung des Vatikans, dem “Bedauern” über vergangenes Unrecht, welches den Indigenen von “einigen Christen” zugefügt wurde, Konsequenzen folgen zu lassen — sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in der Weigerung, alle Unterlagen aus den Archiven den Opfern zur Verfügung zu stellen. Viele Familien leiden bis heute unter dem Trauma, dass sie nicht wissen, wo ihre Kinder geblieben sind, und erhoffen sich aus den Dokumenten endlich Klarheit, ohne die ein Heilungsprozess nicht beginnen kann. Diese Weigerung des Vatikans, die Archive zu öffnen, ist kein Unrecht der Vergangenheit, sondern aktuelle Fortsetzung eines Völkermords.
Den Begriff “Völkermord” wollte der Papst jedoch während seiner Kanadareise nicht in den Mund nehmen. Erst auf seinem Rückflug nach Rom räumte er in einem Gespräch mit Vertreter*innen der Presse ein, dass es sich bei dem System der Residential School um Völkermord gehandelt habe. Doch ein Bekenntnis zur Verantwortung der katholischen Kirche als Institution kam ihm nicht über die Lippen. Zu den Forderungen nach strafrechtlicher Verfolgung von Missbrauch und Gewalt an indigenen Kindern durch Täter aus den Reihen der Kirche nahm der Papst ebenso wenig Stellung wie zur Forderung der Indigenen nach Aufhebung der Päpstlichen Bulle bzw. der “Doctrine of Discovery”, dem Grundstein für die Kolonialisierung, den Landraub und den Völkermord an den Indigenen.
CETA-Ratifizierung stoppen!
Ausgerechnet von Seiten der Grünen wird nun darauf gedrängt, das Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen der EU und Kanada, das mit seiner Ressourcenpolitik die Rechte der Indigenen missachtet, möglichst rasch zu ratifizieren. Vor der einstweiligen Annahme CETAs 2016 gingen die Grünen noch gemeinsam mit Zentausenden auf die Straße, um ein Abkommen zu verhindern, das “nur den Konzerninteressen dient”, wie die heutige Außenministerin Annalena Baerbock damals kritisierte. Dabei würde die Ratifizierung von CETA einen intransparenten Eingriff in Umwelt- und Klimapolitik eröffnen, da sich die Konzerne mittels zweifelhafter Schiedsgerichte über gesetzliche Regulierungen hinwegsetzen könnten. Gerade hinsichtlich der aktuellen Debatte um neue Energiequellen könnte dies verhängnisvolle Prozesse in Gang setzen — von Frackinggas bis zu Teersandöl, welche auf indigenem Land gefördert und dann beispielsweise über Pipelines wie die Trans Mountain Pipeline oder die Coastal GasLink transportiert werden, gegen die Indigene seit Jahren protestieren. Weder Flüssiggas noch Teersandöl sind „grüne Technologien“, sondern tragen erheblich zur Steigerung der CO2-Emmissionen bei. In den fünf Jahren seit der vorläufigen Anwendung von CETA hat sich der Handel mit dem äußerst klimaschädlichen Teersandöl bereits verdoppelt. Eine Ratifizierung von CETA steht zudem im Widerspruch zum Bekenntnis Deutschlands zur UN-Deklaration der Rechte der indigenen Völker wie auch der ILO-Konvention 169, die erst im Juni dieses Jahres in Kraft trat.
Die Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte hat daher ein Protestschreiben überreicht, als Annalena Baerbock im Rahmen ihrer Deutschlandtour am 22.07. auch in München Station machte.
Das Münchner Umweltinstitut hat eine Online-Petition eingerichtet, auf der man die Bundesregierung auffordern kann, die CETA-Ratifizierung zu stoppen.
UN: Saubere Umwelt ist ein Menschenrecht
Am 28.07. hat die UN-Vollversammlung eine Resolution verabschiedet, welche eine saubere Umwelt zu einem Menschenrecht erklärt. Während 161 Staaten ohne Gegenstimme für die Resolution stimmten, gab es auch acht Enthaltungen von Staaten wie Russland, China oder Iran. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Menschenrechtsrat für die Resolution gestimmt, die nun “weltweite” Anerkennung findet, denn darauf ist die Umsetzung der Resolution angewiesen, da sie nicht verbindlich ist. Bereits 2010 hatte die UN-Vollversammlung ein Recht auf Wasser und Sanitärversorgung als Menschenrecht anerkannt — deren Umsetzung zwar Fortschritte zeigt, aber noch weit vom Ziel entfernt ist. Dennoch nannten UN-Vertreter*innen die jetzige Resolution “historisch” und UN-Generalsekretär Antonio Guterres bezeichnete sie als einen “Meilenstein”. Der UN-Sonderbeauftragte für Menschenrechte und Umwelt, David Boyd, äußerte seine Hoffnung, dass die Resolution dazu beitrage, die dringenden Maßnahmen zur Verbesserung der Umwelt zu bestärken. Darin knüpfen sich auch Hoffnungen zu einem stärkeren Schutz von Menschenrechts- und Umweltaktivist*innen bzw. indigenen Land Defenders, von denen allein im vergangenen Jahr 358 ermordet wurden.
Die Verwirklichung des Rechts auf sauberes Wasser und saubere Umwelt wäre auch eines der dringendsten Anliegen der Asubpeeschoseewagong (Grassy Narrows) Firts Nation in Ontario. Seit Jahrzehnten fordern sie von der kanadischen Regierung Maßnahmen gegen die Verseuchung ihres Wassers, insbesondere des Wabigoons Rivers, mit Quecksilber aus den Papiermühlen. Obwohl die Regierung wiederholt entsprechende Maßnahmen versprochen hat, hat sich an der gravierenden Situation kaum etwas geändert. Daher ist eine Gruppe Jugendlicher der Asubpeeschoseewagong im Juli zu einem 1.700 km langen Protestmarsch, dem “River Run 2022”, nach Toronto aufgebrochen, um ihre Rechte einzufordern.
Indigene Frauenpower im NONAM
Das Züricher NONAM hat im August und September 2022 gleich zwei indigene Frauen zu Gast.
Am 25. August gastiert die Sami-Künstlerin Mari Boine, Sängerin, Poetin und Botschafterin aus dem hohen Norden, in Zürich, um über ihre Kultur zu berichten und von der Wiederbelebung der Sami-Traditionen zu erzählen.
https://www.stadt-zuerich.ch/kultur/de/index/institutionen/nonam_indianer_inuit_kulturen/fuehrungen---freizeitangebote/let-s-talk---mari-boine--die-stimme-des-nordens.html
Zur langen Nacht der Museen am 3. September empfängt das NONAM Laura Grizzlypaws (“Stálhalamcen”) von den St’át’imc (Interior Salish) aus British Columbia. Laura ist Tänzerin und Trommlerin, Sängerin und Songschreiberin, Akademikerin, Pädagogin und eine passionierte Verfechterin ihrer Sprache und Kultur. Mit Gesängen, Geschichten und Tänzen vermittelt sie die Kultur ihres Volkes.
Informationen under diesem Link.
Nie wieder! Kundgebung zum Hiroshima-Tag
Am 06. August findet — wie jedes Jahr — eine Kundgebung anlässlich des Jahrestags des Atombombenabwurfs auf Hiroshima in München statt (20:00 – 21:30 Uhr Max-Josephs-Platz). Das Erinnern an die schrecklichen Atombombenabwürfe der USA auf Hiroshima und Nagasaki, dem Hunderttausende zum Opfer fielen, ist aktueller denn je. Die genaue Zahl der Opfer lässt sich kaum schätzen.
Seit Januar 2021 ist der Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft. 65 Staaten haben ihn bisher ratifiziert, darunter allerdings keine Atommacht und kein NATO-Mitglied. Er sieht ein kategorisches Verbot von Atomwaffen vor. Bei der ersten Vertragsstaatenkonferenz im Juni 2022 in Wien war Deutschland nur Zaungast. Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf, diesen wichtigen Vertrag gegen atomaren Wahnsinn zu ratifizieren.
Das Material für die Todeswaffen wird auch auf indigenem Land gewonnen — das können wir nicht zulassen.
Internationaler Tag der indigenen Völker
Am 9. August wird der internationale Tag der indigenen Völker der Vereinten Nationen weltweit gefeiert. Das Datum markiert die erste Sitzung der UN-Arbeitsgruppe für indigene Völker, die 1982 stattfand. Seit 1994 erinnert dieser Tag an die Lage der weltweit rund 6.000 indigenen Völker mit ihren etwa 476 Millionen Angehörigen. Besonders der Illegale Abbau natürlicher Ressourcen, die Folgen des Klimawandels, systematische Menschenrechtsverletzungen, Diskriminierung sowie Landraub und Invasionen auf ihre Territorien gefährden indigene Völker weltweit.
Das diesjährige Thema lautet: “Die Rolle indigener Frauen für die Bewahrung und Weitergabe traditionellen Wissens”. Gerade in den indigenen Gemeinschaften Nordamerikas genießen die Frauen eine besondere Stellung und Wertschätzung als Hüterinnen traditionellen Wissens. Umso verhängnisvoller ist es, dass vor allem indigene Frauen Ziel und Opfer systemischen Rassismus sind, der sich nicht zuletzt in der erschreckend hohen Zahl von Femiziden an indigenen Frauen manifestiert. Viele der ermordeten indigenen Frauen und Mädchen in den USA und Kanada fehlen in ihren Gemeinschaften als Trägerinnen des Wissens. Zwangssterilisationen von indigenen Frauen und Mädchen sind Völkermord und sollten ebenfalls dazu beitragen, diese Wissens- und Traditionslinien zu brechen. Auch die Mädchen, die in kanadischen Residential Schools oder US-amerikanischen Boarding Schools starben, hinterlassen eine schmerzliche Lücke. Doch diese Angriffe gegen die indigenen Kulturen mit ihrem traditionellen Wissen gehöre längst nicht nur der Vergangenheit an. Jede Zwangsassimilierung in (weißen) Pflegefamilien, staatlichen Einrichtungen oder durch Adoptionsprogramme durchbricht die Traditionslinie – heute sind mehr als die Hälfte aller Kinder in Kanada, die von ihren Familien getrennt und in “Obhut” gegeben werden, indigener Herkunft, obwohl sie nur 7% der minderjährigen Bevölkerung stellen.
CEDAW (UN Committee on the Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination Against Women) hat wiederholt scharf die Gewalt an indigenen Frauen in Kanada und den USA kritisiert und die Regierungen aufgefordert, wirksame Maßnahmen zum Schutz der indigenen Frauen zu ergreifen.
“Leave it in the Ground” — Anna Rondon und der Widerstand gegen Uranabbau
Vor 30 Jahren trafen sich indigene Vertreter*innen und Aktivist*innen gegen Uranabbau, Atomtest etc. beim „World Uranium Hearing“ in Salzburg. Aus Anlass dieses Jahrestags reist die Aktivistin Anna Rondon (New Mexico Social Justice and Equity Institute, Navajo Nation, USA) nach Europa und wird als erste Station München besuchen. Die langjährige Anti-Atom-Aktivistin (Southwest Indigenous Uranium Forum) ist als Dineh mit den Gefahren des Atomwahns seit langem vertraut, denn auf dem Land der indigenen Völker im Südwesten der USA wurde lange Zeit das Uran gewonnen, das die indigenen Minenarbeiter und das Land verseucht hat. Tausende starben und die Folgen des Uranabbaus sind bis heute eine tödliche Gefahr.
Mit den Diskussionen um eine Laufzeitverlängerung der deutschen AKWs jenseits des für Ende des Jahres geplanten Atomausstiegs bedeutet dies eine erneute Gefahr, denn sollte die Regierung sich für eine weitere Nutzung der Atomkraft entscheiden, würde dies längerfristig auch neuen Bedarf an Uran bedeuten. Damit ist auch das derzeitige Moratorium gegen Uranabbau am Grand Canyon in Gefahr.
Anna Rondon wird über die aktuelle Situation berichten.
Montag, 12.09.2022 um 1900 Uhr im Eine-Welt-Haus, Schwanthalerstr. 80, München (Eintritt frei)
In Solidarität mit dem Selbstbestimmungsrecht der indigenen Völker
Herzliche Grüße
Monika Seiller
Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V.
Frohschammerstrasse 14
D-80807 München
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Indianer-Netzwerk
Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. (AGIM) ist ein gemeinnütziger Verein (gegr. 1986) zur Unterstützung der Rechte der indigenen Völker Nordamerikas und Herausgeberin des Magazins COYOTE.
AGIM e.V. (Action Group for Indigenous and Human Rights, est. 1986) is a non-profit human rights organization dedicated to supporting the right to self-determination of Indigenous peoples in North America. We publish a quarterly magazine COYOTE.
Bankverbindung: IBAN DE28 7015 0000 0017 2234 70 / BIC: SSKMDEMM / Stadtsparkasse München
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