Liebe Unterstützer*Innen,

wie jeden Monat berichten wir in unserem Newsletter über aktuelle Entwicklungen zur Situation der Indigenen.

26.6.2023: Gedenken an Leonard Peltierlink

Mit dem “Oglala Commemoration Day” wird seit 2013 jedes Jahr am 26. Juni des politischen Gefangenen Leonard Peltier gedacht, der seit 47 Jahren seiner Freiheit beraubt wird, nachdem er wegen des Todes zweier FBI-Beamter, die bei einem Schusswechsel am 26. 06.1975 in Oglala starben, verurteilt wurde. Längst haben sich auch innerhalb des US-Justizsystem die Stimmen gemehrt, welche das Urteil in einem unrechtmäßigen Prozess als einen politischen Akt bezeichnen und die sofortige Freilassung des fast 79-Jährigen fordern.

Auf Initiative unserer Partnerorganisation Tokata-LPSG Rhein Main finden auch in Europa zahlreiche Gedenk- und Solidaritätsveranstaltungen im Rahmen eines europaweiten Aktionsmonats statt. Zu sehen ist außerdem aktuell die Slideshow „Stolen Freedom — Free Peltierlink-external“ auf Youtube.

Hintergründe und Aktionen finden sich auf der offiziellen Webseite.

Sieg für Indigene: US Supreme Court bekräftigt ICWAlink

Mit Bangen wurde die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des “Indian Child Welfare Act” (ICWA) erwartet, welcher nicht nur über die Adoptionsregeln bezüglich indigener Kinder entscheidet, sondern dessen Änderung oder Aufhebung auch Auswirkungen auf das Selbstbestimmungsrecht indigener Nationen gehabt hätte.

Ein weißes Ehepaar, das ein indianisches Kind adoptieren wollte, hatte gegen das Gesetz von 1978 geklagt, da das Gesetz vorsieht, dass indigene Kinder zunächst in der Familie bzw. der eigenen Gemeinschaft untergebracht werden sollen. Damit wollte das Gesetz die verhängnisvolle Tradition der US-Politik der Zwangsassimilierung, Internatsschulen und Adoptionspolitik beenden, welche die Kinder ihrer indigenen Identität über Jahrzehnte hinweg beraubt hatte. Jennifer und Chad Brackeen, ein christliches Ehepaar aus Texas, zogen vor Gericht, da das Gesetz ihrer Ansicht nach einen Akt der Rassendiskriminierung darstellen und damit gegen die Verfassung verstoßen würde.

Die Indigenen wie auch Innenministerin Deb Haaland hatten Befürchtungen, der republikanisch dominierende Gerichtshof, könne gegen die Interessen der Indigenen entscheiden, doch am 15. Juni 2023 bestätigte der Supreme Court mit 7 zu 2 Stimmen die Gültigkeit des Gesetzes.

Neuer Name für das Stuttgarter Filmfestlink

Angesichts der Debatten um die Verwendung des Begriffs “Indianer” und möglicher Konsequenzen, die sich bereits darin zeigten, dass Verlage den Begriff nicht mehr in Titeln veröffentlichen oder finanzielle Unterstützung für Kulturveranstaltungen in Frage gestellt wird, sahen sich auch die Organisator*Innen des renommierten “Indianer Inuit: Das Nordamerika Filmfestival” gezwungen, sich mit der Suche nach einem neuen Namen auseinanderzusetzen und haben dafür eine Lösung gefunden, die einerseits einen Teil des etablierten Namens beibehält, sich aber andererseits möglicher Begriffskritik entzieht, wie eine Pressemitteilung vom 21.06.2023 verkündete. Mit dem neuen Namen “INDIGEN: Das Nordamerika Filmfestival” verdeutlicht das alle zwei Jahre stattfindende Festival, dass es sich weiterhin im Schwerpunkt auf das Filmschaffen von/mit Indigenen aus Nordamerika konzentriert, was mit dem bisherigen „Indianer Inuit“ selbsterklärend war. Das nächste Festival findet vom 13.-16.02.2025 wie gewohnt in Stuttgart statt und kann dann bereits sein zehnjähriges Jubiläum feiern.

Ehrung für Deskaheh in Genflink

1923 reiste Levi General in seiner Funktion als Deskaheh (Cayuga) in Vertretung der Haudenosaunee, d.h. der Irokesenkonföderation, von Kanada nach Genf, um beim damaligen Völkerbund (dem Vorläufer der Vereinten Nationen) die Rechte der indigenen Völker einzufordern. In seinem Schreiben an den Generalsekretär des Völkerbunds, J.E. Drummond, verwies er darauf, dass die Konföderation seit Jahrhunderten über eine eigenständige Regierung verfüge und als souveräne Nation Anspruch auf Anerkennung als vollwertiges Mitglied des Völkerbunds habe. Deskaheh wurde damals verweigert, sich an den Völkerbund zu wenden, um sein Anliegen vorzubringen.

Deskaheh hinterließ mit seiner Mission jedoch in der Öffentlichkeit so großen Eindruck, dass der damalige Bürgermeister von Genf ihn einlud, seine Botschaft der Bevölkerung von Genf öffentlich vorzutragen. Die Beziehung zwischen Genf als Sitz der heutigen Vereinten Nationen und den Haudenosaunee vertiefte sich in den nachfolgenden Jahrzehnten, als die Haudenosaunee wiederholt in die Schweiz reisten, um gemeinsam mit anderen indigenen Völkern ihre Rechte einzufordern.

Die Stadt Genf feiert das 100. Jubiläum mit zahlreichen Veranstaltungen. Nachdem bereits im Februar die Stadt gemeinsam mit Vertretern der Haudenosaunee einen Friedensbaum (dem Gründungssymbol der Irokesenkonföderation) pflanzte, wird nun vom 03.07. — 16.08.2023 eine Freiluftausstellung an das Wirken von Deskaheh erinnern, und die zentrale Mont-Blanc-Brücke wird mit der Flagge der Haudenosaunee geschmückt. Zudem gab das ethnologische Museum MEG zwei heilige Objekte an die Irokesen zurücklink-external.

Gerichtsklage soll Protest der Indigenen gegen Lithium-Abbau in Nevada unterbindenlink

Das kanadische Unternehmen Lithium Americas arbeitet mit Hochdruck daran, am Thacker Pass im Norden Nevadas die geplante und derzeit in Vorbereitung befindliche Lithiummine in Betrieb zu nehmen. Das “weiße Gold” soll den explodierenden Bedarf für vermeintlich “grüne Energie”, insbesondere für Elektroautos decken. Im Norden Nevadas soll auf 7300 Hektar eines der größten Lithiumvorkommen der USA gewonnen werden.

Umweltschützer, Viehzüchter und vor allem Indigene warnen vor den Auswirkungen der Lithiumgewinnung, die vor allem eine Bedrohung der Wasserversorgung in der ariden Region darstellt. Der gigantische Tagebau wäre ein gewaltiger Eingriff in die Natur. Für die dort lebenden Shoshone und Paiute ist der Thacker Pass (Peehee Mu’huh) heiliges Land, wo sie Zeremonien durchführen und Heilkräuter sammeln. Der Ort war zudem 1865 Schauplatz eines Massakers an den Indigenen und ist der Lebensraum einzigartiger Pflanzen und Tiere.

Das Projekt wurde unter der Trump-Regierung nach beschleunigtem Genehmigungsverfahren am 15. Januar 2021 genehmigt, und noch am selben Tag errichteten die Gegner das “Thacker Pass Protest Camp”. Mehrere Gerichtsverfahren konnten nicht verhindern, dass die Lithium Nevada Corporation, ein Tochterunternehmen von Lithium Americas, im September 2022 mit den ersten Bauarbeiten begann. Unterdessen konnten die Gegner des Projekts weitere Unterstützung gewinnen und führten wiederholte Protestaktionen vor Ort durch. Im Mai 2023 errichteten sie zudem ein weiteres Camp, das “Ox Sam Camp” (Newe Mogonee Momokonee, “Indian Women’s Camp”).

Mitte Juni 2023 reichte Nevada Lithium Corp. eine Klage ein, um den Protest gerichtlich unterbinden zu lassen. Das Verfahren richtet sich insbesondere gegen Dean Barlese (Elder des Pyramid Lake Paiute Tribe), Dorese Sam (Fort McDermitt Paiute Shoshone Tribe), Bhie-Cie Zahn-Nahtzu (Te-Moak Shoshone/Washoe), Bethany Sam (Standing Rock Sioux), Kutzadika’a (Paiute Tribe) sowie gegen den Gründer von Community Rights US, Paul Cienfuegos, und Max Wilbert und Will Falk von Protect Thacker Pass. Ihnen wird u.a. unbefugtes Betreten und „zivile Verschwörung“ vorgeworfen. Zudem wurde ihnen der Zugang zum Projektgebiet untersagt. Unterdessen sind noch diverse Klagen gegen die Betreiber anhängig – nicht nur in den USA. In Argentinien, wo Lithium Americas eine Lithiummine in Cauchari-Oloroz betreibt, wurde das Unternehmen wegen Menschenrechtsverstößen und Umweltverbrechen angeklagtlink-external.

Petition an Banken – Menschenrechte und Umweltschutz statt “Big Oil and Gas”link

Vom 22.-25.06.2023 traf sich die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Bank for International Settlements, BIS), zu deren 63 Mitgliedern vor allem die Zentralbanken wie die Bank of Canada, die Europäische Zentralbank oder die Federal Reserve der USA zählen, zur ihrer Jahresversammlung in Basel. Die Banken spielen eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung fossiler Energieprojekte, wogegen seit Jahren eine internationale Divest-Kampagne protestiert. Hunderte Umweltschützer, Aktivisten und Indigene reisten daher zeitgleich zum “Basel Peoples Forum on Climate Justice and Financial Regulation” in die Schweiz und forderten die Bank auf, fossile Projekte nicht weiter zu finanzieren. Stattdessen sollen sich die Banken für Umweltschutz und Menschenrechte einsetzen, wie u.a. das Water Protector Legal Collective, eine indigene Anwaltsfirma, die aus dem Widerstand gegen die Dakota Access Pipeline entstanden ist, betonte. Das Netzwerk Stop the Money Pipeline initiierte außerdem eine Petitionlink-external, die noch unterzeichnet werden kann.

Nationale Aktionswoche gegen fossile Energie in den USAlink

Bereits vom 8. — 11. Juni 2023 fand in den USA eine “Nationale Aktionswoche gegen fossile Energie” statt, die sich u.a. direkt an US-Präsident Biden richtete und ihn aufforderte, seine früheren Wahlversprechen umzusetzen und aus der Nutzung fossiler Energie auszusteigen. Die Forderungen beriefen sich auch auf einen Appell des UN-Generalsekretärs, der im März dieses Jahres die Regierungen in aller Welt eindringlich aufgefordert hatte, eine sofortige Energiewende einzuleiten. Generalsekretär Guterres hatte insbesondere die Regierungen zu folgenden Maßnahmen ermahnt:

  • Einstellung aller Genehmigungen oder Finanzierungen für neue Öl- und Gasvorkommen - im Einklang mit den Erkenntnissen der Internationalen Energieagentur.
  • Stopp der Ausweitung der bestehenden Öl- und Gasreserven.
  • Verlagerung der Subventionen von fossilen Brennstoffen auf eine gerechte Energiewende.
  • Einführung eines globalen Ausstiegs aus der bestehenden Öl- und Gasproduktion.

Insbesondere die Indigenen hatten kritisiert, dass Biden trotz seines Bekenntnisses, der “erste Klimapräsident” werden zu wollen, erst jüngst mit dem Willow Project die Ölförderung in Alaska genehmigte.

In Solidarität mit dem Selbstbestimmungsrecht der Indigenen Völker!

Herzliche Grüße

Monika Seiller

Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V.
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Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. (AGIM) ist ein gemeinnütziger Verein (gegr. 1986) zur Unterstützung der Rechte der indigenen Völker Nordamerikas und Herausgeberin des Magazins Coyote.

AGIM e.V. (Action Group for Indigenous and Human Rights, est. 1986) is a non-profit human rights organization dedicated to supporting the right to self-determination of Indigenous peoples in North America. We publish a quarterly magazine Coyote.

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