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John Sotsisowah Mohawk

John Sotsisowah Mohawk Hüter der Seneca-Weisheit (1945 – 2006)
von Dionys Zink
(veröffentlicht 3/2006)

„Wacht auf, die Technik wird euch nicht retten!“ titelte die Zeitschrift „natur“ im August 1985 und weckte am Scheitel der europäischen Begeisterung für die „Öko-Indianer“ einmal mehr das Interesse für Botschaften indianischer Ureinwohner an die westliche Welt. Trotz der reißerischen Schlagzeile war John Mohawk der Verfasser des Appells kein Weltuntergangsprophet, sondern sah bereits damals deutlich, was man in den industrialisierten Ländern nicht wahrhaben wollte: „Die Erde will uns warnen: Wetterveränderungen, Erdbeben, Baumsterben – die Krankheitssymptome dieses lebenden Körpers namens Erde sind eigentlich für jeden sichtbar.“ Mitten im globalen Klimawandel, nach einem verheerenden Tsunami im Indischen Ozean und bei atemberaubendem Tempo des globalen Artensterbens müsste man meinen, dass jeder verstanden haben könnte, was John Mohawk damals gefordert hat:

„Für uns ist Natur Realität, und unsere von euch so belächelte Naturverbundenheit ist in unseren Augen eine realistische eltanschauung. (…) Die wissenschaftliche Erkenntnis über die Biologie der Erde hat es nicht einmal auf intellektueller Ebene geschafft, eure geistige Haltung zu beeinflussen. Sicher: Ein paar von euch haben eine Beziehung zu Bäumen und Bergen, eine Bindung, die nicht über den Intellekt läuft. Eure Gefühlsbindung zu Tieren reduziert sich aber bereits wieder auf Haus- und Lieblingstiere. Ihr habt entweder eine übertriebene Bindung oder gar keine. Was euch fehlt, eurer Kultur, eurer Zivilisation, das ist eine natürliche Bindung zu allem nichtmenschlichem Leben. Euch fehlt, was wir unter Spiritualität verstehen.“

Sotsisowah gehörte dem Schildkrötenklan der Seneca an und wuchs in einer traditionellen Familie auf dem Cattaraugus Reservat im westlichen US-Bundesstaat New York auf. Weltweites Aufsehen erregte er 1977 vor allem mit dem Text „A Basic Call to Consciousness“, einer Botschaft der traditionellen Irokesen an die Vereinten Nationen, den eine erste indianische Delegation in Genf im September desselben Jahres dort vortrug (Dt: Ein Ruf zur Einsicht, 1984).

Von 1976 bis 1984 leitete John Mohawk die Herausgabe der „Akwesasne Notes“, der ersten überregionalen indianischen Zeitschrift, die auch in Europa auf weites Interesse stieß. Er war auch beteiligt an der Schaffung des Seventh Generation Fund oder des Indian Law Resource Centers. Später war Sotsisowah Professor an der State University of New York (Buffalo) und lehrte Kulturwissenschaften.

John Mohawk war demnach ein indianischer Gründervater, wie es ihn nur einmal in jeder Generation gibt und oftmals vielleicht gar nicht. Er legte die Grundlagen für eine Renaissance traditioneller Vorstellungen der Haudenosaunee. Bis in die jüngste Gegenwart wurde er nicht müde, den Zusammenhang zwischen globaler Kolonisation und Elend der Kolonisierten anzuprangern:

“Kolonisierung ist das größte Gesundheitsrisiko für indigene Personen und Gemeinschaften. Sie führt zur Anomie – der Abwesenheit von Werten und der sozialen Ausrichtung und Identität – das ist der Hintergrund für tödliche Autounfälle, verursacht durch Alkoholeinfluss. Sie erzeugt die Voraussetzungen einer nicht angmessenen Ernährung, die zu einer Epidemie von Krankheit und Verfall, zu einer moralischen Anarchie führen, zu Kindmisshandlungen und Missbrauch in der Ehe. Kolonisiert zu werden, war das Schlimmste, was einem vor fünfhundert Jahren passieren konnte – und kolonisiert zu wer-
den, ist das Schlimmste, was einem heute widerfahren kann.“

Seine Freunde, Studenten und Schüler schildern ihn als einen idealen Vermittler und Lehrer, der weder seine kulturellen Wurzeln vergaß, noch den kritischen Blick auf die alltägliche Gegenwart, den ihm seine Herkunft ermöglichte. Auch wenn John Mohawk akademische Würden und Doktortitel erlangte, blieb er den Traditionen der Irokesen treu. Diese einzigartige Position führte dazu, dass er ein hochgeachteter Politiker und Vermittler wurde, als Mitglied einer Untersuchungskommission, die in den 80er Jahren im Zusammenhang mit dem US-Geiseldrama nach Teheran reiste oder 1990 als Unterhändler im Konflikt zwischen den Mohawks und der kanadischen Regierung.

Auch in Mitteleuropa hat Sotsisowah seine Spuren hinterlassen. Er gehörte zum Beirat der Gesellschaft für bedrohte Völker (Göttingen) und war Mitglied in der Jury des „Nuclear Free Future Award“ (München).

Zuletzt war John Mohawk aktiv in der
Bestandssicherung traditioneller indianischer Nutzpflanzen und engagierte sich in der Slowfood-Bewegung und in Gesundheitsprojekten für Indianer, um der Fehlernährung im Zeitalter genmanipulierter Agrarerzeugnisse entgegenzuwirken. Vor allem die Verbreitung der traditionellen weißen Maissorten der Irokesen war ihm ein Anliegen. John Sotsisowah Mohawk starb am 12. Dezember 2006 und wurde nur 61 Jahre alt.

Erstellt von oliver. Letzte Änderung: Sonntag, 22. März 2020 21:59:10 CET von oliver. (Version 3)

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