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Zeichen auf Sturm

Julian Burger, Alfonso Martinez und Mary Robinson bei der Feier zum Indigenous Day bei der UN-WGIP in Genf (Foto: Oliver Kluge 2002) von Oliver Kluge (veröffentlicht 3/2002)

Dieses Jahr fand in Genf die 20. Sitzung der Working Group on Indigenous Populations in Genf statt. Es war für alle Teilnehmer spürbar, dass sich über den Menschenrechten der Ureinwohner Sturmwolken zusammenziehen.

In der hierachisch aufgebauten Struktur der Vereinten Nationen ist die Menschenrechtskommission, Commission on Human Rights (CHR), das erste Gremium, das ausschließlich mit Menschenrechten zu tun hat - allerdings weltweit. Von der Gleichbehandlung der Geschlechter bis hin zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit reicht das Spektrum, so dass dazu selbst Unterausschüsse tätig sind, welche zu bestimmten Themen Arbeitsgruppen einberufen. Eine davon ist die Arbeitsgruppe zu Indigenen Populationen, Working Group on Indigenous Populations (WGIP). Ihre Aufgabe war es zunächst, eine längst überfällige Deklaration für ein neues weltweites Völkerrecht für Ureinwohner zu entwerfen.

Fünf Leute bilden eine solche Arbeitsgruppe, und doch finden sich im Sitzungssaal viele Hundert Leute ein. Der Grund ist einfach: Die Arbeitsgruppe lässt sich von Experten beraten, und im Falle der Ureinwohner sind das die Ureinwohner selbst sowie die Unterstützungsorganisationen, wie etwa die Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte.

So viele Experten kann man natürlich nicht alle paar Wochen zusammentrommeln. Daher finden solche Sitzungen immer zu einem festgelegten Rhythmus statt, nämlich in der letzten Juliwoche eines jeden Jahres. Damit sind Vor- und Nachteile klar: Jeder kann sich seine Termine gut einteilen, aber über das Jahr ist der Arbeitsfortschritt gering. Das begründet auch die Langsamkeit des UNO-Apparates. Aber auch die Beharrlichkeit zur Ereichung der gesteckten Ziele.

Der Sturm Doch dieses Jahr kam vieles anders als die gewohnte Routine es erwarten ließ. Das eigentlich debattierte Thema wurde zur Nebensache. Doch der Reihe nach: Letztes Jahr hatte es sich die Working Group mit einem neuen Vorsitzenden, dem kubanischen Juraprofessor Miguel Alfonso Martínez, eingerichtet, und für dieses Jahr stand die Wiederwahl der Hochkommissarin für Menschenrechte an. Waren die USA bisher Bremser hinter den Kulissen, was die von der Working Group ausgearbeitete Gesetzesvorlage für die Rechte der Ureinwohner angeht, so wird nun offen Front gemacht.

Erstes Opfer ist die Hochkommissarin. Mary Robinson hat sich wie keine Zweite um die Menschenrechte verdient gemacht. Keiner ihrer Vorgänger hat so frank und frei gesprochen. Damit hat sich die ehemalige irische Präsidentin und Juraprofessorin natürlich Feinde gemacht. Sie geißelte die Todesstrafe, die in den USA immer noch glühende Anhänger hat, selbst Kinder werden in Amerika hingerichtet.

Die Taktik der Amerikaner ist ebenso unauffällig wie wirkungsvoll. Sie fordern nicht laut polternd den Rücktritt oder die Abberufung, sie üben vielmehr Druck auf eine Reihe Staaten aus, die wirtschaftlich von den USA abhängig sind und Sitz und Stimme in der Menschenrechtskommission haben. Dort ist Amerika selbst nämlich nicht mehr vertreten, was die selbsternannten Hüter der Freiheit natürlich besonders schmerzt. Als Denkzettel für die permanenten Blockaden der Amerikaner haben sich bekanntlich im vergangenen Jahr einige Staaten zusammengetan und die Wiederwahl der US-Repräsentanten verhindert. Gerade Entwicklungsländer sind natürlich anfällig für Drohungen, und so konnten die USA mit dem Hinweis, man werde die Wiederwahl von Mary Robinson zu verhindern wissen, durchkommen. Dieser Demütigung wollte sie sich nicht aussetzen und trat zurück - elf Wochen vor dem Ende ihrer ersten Amtszeit. UN-Generalsekretär Kofi Annan, der natürlich selbst gerne wiedergewählt werden will, designierte mit Sergio Vieira de Mello aus Brasilien schnell einen Nachfolger.

Das nächste Ziel De Mello gilt als Amerika-freundlich, auch wenn man natürlich niemanden vorverurteilen sollte. Und weil man sich in der UNO schon so gut eingeschossen hatte, erklärten die Amerikaner nunmehr offen, was ohnehin jeder schon seit langem vermutete: Als nächstes ist die Working Group selbst dran.

Hatte man sich in New York bisher damit begnügt, hinter den Kulissen herum zumaulen und die angeblich hohen Kosten der Working Group zu lamentieren, wird jetzt offene Konfrontation gesucht. Den Vorwand dafür hat die UNO selbst geliefert, mit dem permanenten Forum für Ureinwohnerangelegenheiten, dem Permanent Forum on Indigenous Issues PFII. Dieses wurde vor Jahren ins Leben gerufen, um den Ureinwohnern etwas zu bieten, was die Working Group nicht sein kann und nicht sein darf: Eine Plattform, auf der sie ihre Sorgen und Nöte äußern können. Die Working Group soll zwar auch aktuelle Entwicklungen protokollieren, aber keine Anklageplattform bieten, und ansonsten weiterhin Verfahren und Rechtsmittel entwickeln, welche die Rechte der Indigenen schützen sollen. Zu oft wurde der Working Group vorgehalten, sie sei eher ein Beschwerdeforum als eine juristische Arbeitsgruppe. Nun gibt es die Plattform offiziell, im Frühjahr hielt das Permanent Forum in New York seine erste Sitzung ab. Doch es wurde nicht einmal der Versuch gemacht, den Alibi- Charakter zu bemänteln. So beklagte sich der Vorsitzende des PFII in Genf, dass sein Budget noch nicht einmal die Einrichtung eines Sekretariats gestatte.

Und doch versuchen die USA nun unter Hinweis auf das Pemanent Forum die Working Group schlicht abzuschaffen. Das ist freilich absurd, denn letztere hat ja ein völlig anderes Mandat. Genau genommen würden sich WGIP und PFII wunderbar ergänzen. Doch nachdem man in Washington lange Jahre den Forumcharakter der Working Group beklagt hatte, will man dort nun das Forum als eigene Veranstaltung behalten (aber nicht unterstützen), denn die Working Group ist „gefährlicher“: was dort ersonnen wird, könnte bald internationales Recht sein, wenn es von der Vollversammlung beschlossen wird. Die Vorgänge vor dem PFII haben keine Folgen für die Zukunft.

Divide et impera Teile und herrsche - das könnte das Motto der gegenwärtigen Politk der USA gegenüber den Urvölkern der Welt sein. Selbst den Forumcharakter des PFII kann man noch herunterskalieren, denn das Permanent Forum tagt in New York. Im Gegensatz zu den ausgesprochen liberalen Schweizer Grenzbeamten sieht man in New York einen »selbstgemachten« Ureinwohner-Reisepass gar nicht gerne. Dazu kommt, dass die Unterstützerorganisation nicht wie in Genf einfach eine Zahl Teilnehmer anmelden und hinschicken kann, es werden Kontingente vergeben. So kann man bequem die anwesende Teilnehmerschaft im Vorfeld aussieben. Dass die hohen Unkosten einer New-York-Reise, vor allem des Hotelaufenthaltes, und das fast völlige Fehlen einer lokalen, helfend eingreifenden Unterstützerszene die chronisch klammen indigenen Kassen überstrapaziert, ist da nur noch ein nicht unwillkommener Nebeneffekt.

Und so werden Indigene und Unterstützer geteilt. In solche, die nach New York kommen; andere, die nach Genf fahren; solche, die sich das nicht leisten können oder abgewiesen werden und einige wenige die beides hinkriegen. Natürlich wird so auch die Kommunikation unter den Unterstützern wirkungsvoll abgewürgt. Man kann nicht alles per Telefon und E-Mail kommunizieren, man muss sich wenigstens einmal im Jahr auch sehen. Diplomaten haben da weniger Probleme, wenn’s ums Reisen geht.

Unser Aufruf Um es klar auszudrücken: Die Working Group ist der größten Bedrohung ausgesetzt, die es seit ihrer Gründung jemals gegeben hat, und diesmal sieht es düster aus. Die WGIP muss unter allen Umständen erhalten werden, und sie muss in Genf bleiben. Nur hier können Indigene ohne Einreiseärger zusammenkommen, nach der Konferenz auch ein halbes Dutzend UN-Organisationen (Weltgesundheitsorganisation, International Labour Organisation etc.) »gleich mit« besuchen, und nur hier kann sich die europäische Unterstützerszene wirkungsvoll vernetzen.

Unterstützen Sie den Aufruf der Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte. Es steht so viel auf dem Spiel, was in den letzen Jahren aufgebaut wurde. Es ist Wahlkampfzeit in Deutschland, und jetzt hören unsere Politiker wenigstens ein wenig zu.

An das Auswärtige Amt Werderscher Markt 1 10117 Berlin Telefax 01888 / 17-3402

Sehr geehrter Herr Außenminister, die BRD verkündet auf offiziellen Konferenzen (wie eben in Johannesburg) ihr Engagement für den Schutz der Menschenrechte.Bitte beweisen Sie uns, dass dies keine leeren Versprechungen sind, und setzen Sie sich für den Erhalt der UN-Arbeitsgruppe für Indigene Völker (WGIP) in Genf ein, deren Fortbestehen derzeit akut bedroht ist.

Die Ureinwohner der Welt werden ausgegrenzt und marginialisiert, ihr Land zerstört und ihre Lebensgrundlagen bedroht. Jährlich treffen sich rund 500 ihrer Vertreter - darunter auch die indigenen Völker Amerikas -, um der Weltöffentlichkeit über ihre Situation zu berichten und gemeinsam mit den Vereinten Nationen Lösungen für ihre Probleme zu finden. Die Teilnehmer nehmen hierfür große Mühen und finanzielle Belastungen in Kauf, obwohl gerade sie zu den Ärmsten der Welt zählen.

Die WGIP ist das einzige Forum, das ihnen uneingeschränkt Rederecht und Aufmerksamkeit schenkt. Das Überleben dieser Menschen und ihrer Kenntnis traditioneller Lebensfomren ist von globaler Bedeutung. Selbst große Organisationen wie die Weltbank haben dies inzwischen erkannt. Die scheidende Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, betonte stets die besondere Bedeutung der Indigenen Völker für das globale Zusammleben und schließt sich der Forderung nach der Fortsetzung der WGIP entschieden an.

Lassen Sie die Ureinwohner der Welt nicht im Stich! Helfen Sie, die Working Group on Indigenous Populations zu retten, um den Menschen eine Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit zu geben!

In Erwartung Ihrer Antwort

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Erstellt von oliver. Letzte Änderung: Freitag, 28. Januar 2022 21:10:08 CET von oliver. (Version 5)

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