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Sherman Alexie: Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeitindianers

Sherman Alexie 2007 (Foto: Larry D. Moore) gelesen von Dionys Zink

In seinem ersten Roman für Jugendliche erzählt der erfolgreiche indianische Autor Sherman Alexie die Geschichte eines Jungen namens Junior, der seine Schule auf der Spokane Indian Reservation im US-Bundesstaat Washington verlässt, um seine Ausbildung an einer nur von Weißen besuchten Highsschool zu machen.
Erwachsen zu werden war immer schon ein schwieriges Unterfangen, gleich wo, ob in Amerika oder hierzulande, und ist allemal einen umfänglichen Roman wert. In der amerikanischen Literatur gibt es dafür auch die passenden Vorbilder von Mark Twains Huck Finn bis zu J.D.Salingers Holden Caulfield.

Die herzzereißende und zugleich sehr komische Geschichte, die mit Karikaturen illustriert ist, der Erzähler des Tagebuchs Junior ist zugleich auch Karikaturist, basiert auf den eigenen Erfahrungen des Autors Alexie. Großen Raum nimmt dabei die Frage ein, ob ein Jugendlicher, der unter den sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen eines Reservats aufwächst, überhaupt eine Chance hat, dem Leben in Abhängigkeit von Sozialhilfe und Alkohol zu entkommen. Der Bestsellerautor Alexie kommt anhand seiner eigenen Biografie zu einem eindeutigen Ergebnis. In einer Atmosphäre der Gewalt, des Alkoholmissbrauchs und des sozialen Neids ist eine normale Sozialisation kaum möglich. Er lässt seinen Helden für sich sprechen:
„Ich habe über diese Dinge nachgedacht. Und vielleicht habe ich nicht genug nachgedacht, aber genug jedenfalls um zu wissen, dass es besser ist in Reardan (der weißen Gemeinde) als in Wellpinit zu leben. Vielleicht nur ein bisschen besser. Aber von dem Punkt aus gesehen, an dem ich stehe, ist ein bisschen besser, ungefähr so bedeutend wie der Grand Canyon.“

Der Leser begleitet Junior an die Schauplätze seiner teenage angst und einmal - wenigstens einmal! - lohnt es sich einige dieser Highschool-Kino-Schmonzetten gesehen zu haben, denn nur so versteht man die Tragik eines indianischen Basketballers, der als Mitglied eines weißen Teams in der Turnhalle seiner ehemaligen Reservatsschule antreten muss. In einem zweiten Spiel, das dann im weißen Städtchen Reardan stattfindet, wird die Indianermannschaft vernichtend geschlagen:
„Und dann dämmerte es mir. Ich begriff, dass meine Mannschaft, die Reardan Indians, Goliath waren. Ich meine, alle aus dem Abschlussjahrgang in unserer Mannschaft würden aufs College gehen. Alle hatten ihr eigenes Auto, alle in unserer Mannschaft hatten iPods und Handys und Playstations und drei Paar Jeans und zehn Hemden und Mütter und Väter, die in die Kirche gingen und gute Jobs hatten. Okay, vielleicht hatten meine weißen Mitspieler Probleme, ernsthafte Probleme, aber keiner hatte lebensbedrohliche Probleme. (…) Ich wusste, dass zwei oder drei von den Indianern vielleicht heute morgen nicht gefrühstückt hatten. Es war kein Essen da gewesen. Ich wusste, dass sieben oder acht dieser Indianer mit alkoholisierten Eltern lebten. Ich wusste, dass einer dieser Indianer einen Vater hatte, der mit Crack und Methamphetamin dealte. Ich wusste, dass die Väter von zweien dieser Indianer im Gefängnis waren. Ich wusste, dass keiner von ihnen aufs College gehen würde. Nicht ein einziger.“

Der Roman „Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeitindianers“ wurde seit 2007 mit Preisen überhäuft, beispielsweise erhielt er bei seinem Erscheinen den renommierten National Book Award für das beste Jugendbuch des Jahres. Auch im Ausland fand der Roman Anerkennung, etwa in Schweden, wo er mit dem Peter Pan Preis 2009 bedacht wurde.

„Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeitindianers“ ist im Deutschen Taschenbuchverlag erschienen, umfasst 268 Seiten und kostet 13,30 €. Wir wünschen ihm viele jugendliche und erwachsene Leser.

Erstellt von dionys. Letzte Änderung: Freitag, 17. Januar 2020 17:55:38 CET von oliver. (Version 3)