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Nachruf: Vine Deloria jr.

Vine Deloria jr. von Robert Stark
(veröffentlicht 4/2005)

Am 13 November diesen Jahres verstarb Vine Deloria jr., einer der profiliertesten und angesehensten indianischen Autoren des vergangenen Jahrhunderts, der im Verlauf seiner akademischen Bilderbuchkarrierre über 20 Bücher verfasst hat. Seine virtuose Beherrschung der englischen Sprache, gepaart mit bissiger Ironie, sicherte ihm eine breite Leserschaft.

Dem Denken und Handeln seines indianischen und nichtindianischen Publikums in Amerika und darüber hinaus in Europa hat sein Schaffen maßgebliche Impulse gegeben. Seine Person galt als ein Symbol für den intellektuellen Widerstand von Indianern und sein Verscheiden versetzt Schüler und Leserschaft in tiefe Betroffenheit.

Deloria wurde in South Dakota, nahe der Reservation Pine Ridge geboren. Mehrere seiner Vorfahren waren bedeutende religiöse Führer, die dem Christentum besonders verbunden waren, oder gar wie sein Vater Vine Deloria sr. ein theologisches Studium absolviert hatten. Dieser durchlief eine bemerkenswerte Karriere als Geistlicher, der in vielen bedeutenden Kirchengremien die Interessen indianischer Minoritäten innerhalb christlicher Konfessionen vertrat. Auch eine andere nahe Verwandte, Ella Deloria, hatte u.a. beim renommierten Anthropologen Franz Boas studiert und diverse Forschungsarbeiten zur indianischen Kultur publiziert.

Vine Deloria jr. wuchs so in einem Umfeld auf, das optimale Voraussetzungen für seinen zukünftigen Bildungsweg bot. Nach dem Besuch von Reservationsschulen erhielt er 1958 einen ersten Abschluss an der Iowa State University. 1963 schloss er ein Theologiestudium an einer Lutheranischen Hochschule in Illinois ab, 1970 ein Jurastudium an der Universität von Colorado.

Von 1964 bis 1967 arbeitete er an der National Conference of American Indians in Washington. 1969 erschien sein erstes Buch: „Custer died for your Sins: An Indian Manifesto“. Bereits dieses Erstlingswerk zeugte von der Sprachgewaltigkeit des Autors und konfrontierte die nichtindianische Leserschaft auf ungeschminkte, aber geschickte Art und Weise mit der Brutalität des Vordringens der weißen Kultur in den indianischen Westen. Sein beißender Witz, der mitunter geradezu gnadenlos sarkastische Züge annehmen konnte, verlieh der Lektüre des Buches auch amüsante Züge, ohne dass die eigentliche Dramatik des Geschehens verharmlost wurde. Nie hat er ein befreiendes Lachen provoziert, sondern auf raffinierte Weise den Finger in Wunden gelegt, die dem Leser bei der Lektüre zu Gespür gebracht wurden. 1970
folgte der Titel „We Talk – You Listen“ (im deutschen Buchhandel unter dem Titel „Nur Stämme werden überleben“). Ein weiterer Klassiker
aus seiner Feder war „God is Red“.

Beide Bücher waren ähnlich konzipiert wie sein Erstlingswerk. Insbesondere diese drei Titel wurden auch in Europa rasch bekannt und in
Deutschland zunächst durch den Verlag „Dianus-Trikont“ verbreitet. Später übernahmen andere Verlage die Rechte an den deutsche Texten und brachten sie in zahllosen Auflagen auf den Markt. Deloria wurde so auch in Deutschland vielen Lesern alternativer Verlagsprogramme ein fester Begriff. Andere Bücher Delorias beschäftigten sich mit Geschichte, Theologie, dem modernen indianischen Leben und Wissenschaftskritik

Von 1978 bis 1990 lehrte Vine Deloria an der University of Arizona, danach an der University of Colorado. Im Jahr 2000 legte er sein Amt nieder, dozierte und publizierte aber weiterhin. 2002 erhielt er den Wallace Stegner-Preis, der einflussreichen amerikanischen Schriftstellern zuerkannt wird. 2003 wurde er mit dem American Indian Festival of Words Author Award ausgezeichnet.

Kritiker Delorias stießen sich vor allem an seinem „mangelnden Verständis“ der methodischen Grundlagen vieler Fachdisziplinen, deren Ergebnisse er als Laie auf diesen Gebieten nicht vollständig durchdrungen habe und so zu falschen Schlüssen über die Gültigkeit der Ergebnisse dieser Fachdisziplinen käme. Dies wurde ihm auch wieder bei seiner letzten Publikation aus dem Jahr 2003 „Evolution, Creationism, And Other Modern Myths“ zu Last gelegt. Unabhängig davon, ob man sich dieser nicht ganz unberechtigten Kritik anschließt,
bleibt die Feststellung, dass Deloria dem fächerübergreifenden Dialog durch seine provokativen Thesen auch wertvolle Impulse zum Reflektieren der eigenen Position aus indianischer Perspektive gegeben hat.

Über seinen Tod hinaus, werden die oben erwähnten Klassiker Delorias Pflichtlektüre für alle ernsthaft an indianischer Kultur interessierte Menschen bleiben.

Erstellt von oliver. Letzte Änderung: Montag, 27. September 2021 15:17:13 CEST von oliver. (Version 3)