Lubicon-Verhandlungen im Schlussspurt
von Dionys Zink
((veröffentlicht 2/2003)
Die Lubicon-Verhandlungen mit der Provinz Alberta und der kanadischen Bundesregeirung kommen weiter zügig voran. Gegenstand dieser Verhandlungsphase sind vor allem die Interessen Dritter in dem traditionellen Jagdgebiet der Lubicon und innerhalb des zukünftigen Reservats.
Die Lubicon Cree wurden Mitte der achtziger Jahre von der kanadischen Erdölindustrie buchstäblich überrollt, ohne dass sie für die widerrechtliche Entnahme von Bodenschätzen, die Zerstörung ihrer Umwelt und ihrer Lebensgrundlagen entschädigt wurden. In den laufenden Verhandlungen soll mit 104 Jahren Verspätung ein Vertrag zwischen den Lubicon Cree und Kanada zustandekommen, der die anhaltenden Ungerechtigkeiten beseitigt.
Verhandlungsfortschritte bis zu weitgehender Übereinstimmung wurden erzielt, was die Reservatsgröße und – lage, die Ausstattung mit Infrastruktur und die Finanzierung von Wirtschaftsprojekten anbelangt. Vorsichtig optimistisch sprechen nun auch die Vertreter der Regierungsseite von einem Vertragsabschluss noch vor Jahresende. Dies bedeutet wohl, dass die Aktivitäten der Lubicon-Unterstützer und die Interessen der Ölindustrie weiterhin einen positiven Effekt auf die Verhandlungsfähigkeit der kanadischen Regierung haben.
Erfreulich ist auch der Umstand, dass die bisher bestehende Siedlung Little Buffalo dem Reservat angegliedert wird und das Reservat somit sogar noch um ein wenig größer ausfallen wird, als bisher geplant. Damit werden die Lubicon Cree Anlieger am Highway 686 und hoffen mit bandeigenen Läden, einem Münzwaschsalon und einer Tankstelle auch auf Arbeitsplätze und Einnahmen, die ihnen aus dem Umland zufließen könnten. Noch zu verhandeln sind die sogenannten „third party interests“, worunter Rechte an Bodenschätzen oder ölproduzierende Einrichtunegn im zukünftigen Lubicon-Reservat verstanden werden.
Zwei Ölförderstellen sollen nach dem Willen ihrer Betreiber auch nach dem Vertragsabschluss Öl liefern. Noch ungeklärt ist jedoch, ob diese Bohrlöcher Öllagerstätten anzapfen könnten, die eigentlich den Lubicon Cree gehören. Zugleich beraten die Cree-Indianer, ob sie die Verwaltung der Bodenschatzrechte ihres Reservats an Indian Oil & Gas Canada übertragen sollen. Diese Instititution untersteht der kanadischen Bundesregierung und verwaltet treuhänderisch die Bodenschatzrechte indianischer Nationen. Sie hat jedoch den Ruf, allzu willfährig gegenüber den Vorstellungen der kanadischen Ölindustrie zu agieren. Denkbar ist, dass die Lubicon Cree eine solche Übertragung nur vorübergehend vornehmen und dann eine Lubicon-Firma mit der Wahrnehmung der Rechte beauftragen, eine Notwendigkeit, da die Lubicon-Energiereserven selbst dann Begehrlichkeiten wecken, wenn das Land endgültig zum Reservat erklärt sein wird.
Schwierigkeiten gibt es auch noch beim Wald- und Wildmanagement im abzutretenden Gebiet (etwa 9750 qkm). Die Lubicon wollen die Kontrolle über ihre Umwelt behalten. Obwohl bereits 1988 zwischen der Provinz Alberta und den Indianern weitgehende Übereinkunft erzielt werden konnte, muss das damalige Vertragspaket neu geschnürt werden. In den vergangenen 15 Jahren waren Provinzregierungen und Behörden eifrig darum bemüht, die Lubicon Cree als Band bzw. Gemeinde zu spalten und damit zu neutralisieren. Eine Strategie bestand darin, weitere Bands ins Leben zu rufen, z.B. die sogenannte Woodland Cree Band und teilweise auch die Loon Lake Band, die nun ihrerseits um Mitsprache bei Teilen des Lubicon-Jagdgebiets konkurrieren.
Ähnliches gilt für eine große indianische Gruppe im Süden des Lubicon-Territoriums, die Whitefish Lake Band. Stellenweise mutet das Gezerre an, wie eine Erbschaftsstreitigkeit oder ein Flurbereinigungsverfahren in Mitteleuropa. Beispielsweise zog ein Angehöriger der Lubicon-Familie Whitehead nach Whitefish Lake um und behielt seine vom Vater ererbte Trapline (Fallenstellerroute) unmittelbar am Südufer des Lubicon Lake. Die Provinzbehörden vertreten nun die Ansicht, dass die Trapline nicht mehr zum traditionellen Lubicon-Territorium gehören soll. Die Absurdität ist nicht übersehbar: Ein Grundstücksverkauf oder ein Erbfall führt bei einem ausländischen Käufer oder Erben in Europa ja auch nicht dazu, dass ein Grundstück, dann dem Staat des neuen Grundstücksbesitzers zugerechnet wird.
Überschattet werden die Verhandlungen vom tragischen Tod Lucius Ominayaks, dem 17-jährigen Sohn des Lubicon-Häuptlings Bernard Ominayak. Lucius Ominayak kollidierte nachts auf unbeleuchteter Straße auf seinem „Quad“ (vierrädriges Geländemotorrad) mit einem anderen Fahrzeug. Erst drei Stunden nach dem Unfall trafen Rettungsfahrzeuge ein, um die schwerverletzten Unfallopfer ins nur eine Fahrtstunde entfernte Krankenhaus nach Peace River zu bringen. Lucius Ominayak erlag unterwegs seinen schweren Verletzungen. Die Lubicon Cree füllt dieser Tod mit besonderer Bitterkeit, denn sie wissen, dass im Fall eines weißen Unfallopfers alle Möglichkeiten bis zum Hubschraubereinsatz ausgeschöpft worden wären.
Aus dem Kreis des Lubicon-Verhandlungsteams verlautete jedoch, dass Chief Bernard Ominayak trotz dieser tragischen Situation auf einer Weiterführung der Verhandlungen besteht.