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Der Abschied

Junge Maori bei ihrer Präsentation zum Indigenous Day (Foto: Beatrice Weyrich 2001) von Oliver Kluge (veröffentlicht 3/2001)

Wie jedes Jahr stand auch diesmal wieder die letzte Woche im Juli ganz im Zeichen der UNO. Schon seit vielen Jahren tagt in dieser Woche die Working Group on Indigenous Peoples der Vereinten Nationen. Wie schon die Jahre zuvor waren Ludwig Seiller und Oliver Kluge von AGIM vor Ort, um mitzudiskutieren.

Entwicklunglink

Nachdem die ursprüngliche Aufgabe, die Erstellung eines Entwurfes für einen neuen völkerrechtlichen Vertrag, der die Rechte der Ureinwohner dieses Planeten sicher stellen soll, vor einigen Jahren auf eine andere Arbeitsgruppe übertragen wurde, ist die WGIP mehr und mehr zur Anlaufstelle für Indigene aller Kontinente geworden. Dort können Sie Berichte über ihre aktuelle Situation geben. Zudem wird jedes Jahr über ein großes Hauptthema debattiert.

Dieses Jahr war das große Thema Entwicklung, UNO-typisch unter der sperrigen Formulierung »Indigenous peoples and their right to development, including their right to participate in development affecting them« in der Agenda zu finden. Interessant ist dabei schon die Wortwahl »peoples«, die normalerweise strikt vermieden wird. Denn »peoples«, also »Völker«, könnte man als Anspruchsgrundlage auffassen, mit der sich Ureinwohner mit Hilfe der UN-Charta vom jeweiligen Nationalstaat lossagen könnten. Aus diesem Grund steht im Namen der WGIP offiziell auch peoples, was aber geflissentlich von allen Teilnehmern ignoriert wird.

Die sperrige Formulierung aus der Agenda zeigt aber auch ein weiteres prinzipielles Problem, das auftritt, wenn sich ein internationales Gremium mit einem Thema befassen will, das die ganze Welt betrifft: Man muss alle Sonderfälle mit einbeziehen. Konkret heisst das: Indigene Völker haben das Recht, sich weiter zu entwickeln, aber sie können auch mitreden, wenn sich andere Gruppen weiter entwickeln.

In konkreten Beispielen sieht das so aus: Es ist das Recht der Indianer, ihre Kultur weiter zu entwickeln. Niemand kann sie zwingen, bei Pfeil und Bogen stehen zu bleiben. Das klingt für Mitteleuropäer selbstverständlich, ist es aber nicht. Es gab mehr als nur einen Versuch, solche Beschränkungen einzuführen. Aber Indianer dürfen eben auch mitreden, wenn die anderen Gruppen, also etwa die weiße Mehrheitsbevölkerung sich weiter entwickeln will - zum Beispiel mit einem Staudamm und einem Wasserkraftwerk, das dann auf Indianerland errichtet werden soll. Wie das etwa bei den James Bay Cree geplant war.

Doreen Spence und Monika Seiller Foto: AGIM Erstaunlicherweise war die Opposition der Regierungen in dieser Diskussion ziemlich gering. Doch das heisst nicht, dass es hier keine Probleme zu erwarten gäbe. Es besteht immer noch ein Unterschied zwischen dem, was Regierungsvertreter vor der UNO erzählen und dem, was daheim dann ausgeführt wird. Aber es erlaubt zumindest Unterstützungsorganisationen wie beispielsweise AGIM, auf diese Diskrepanzen hinzuweisen. Schon allein deshalb ist die Teilnahme an UNO-Sitzungen wichtig.

Vor allem die Vereinigten Staaten und Kanada fielen in dieser Hinsicht mal wieder auf. Wer die Wortwahl vor der WGIP betrachtet, findet in den zahlreichen Redebeiträgen amerikanischer und kanadischer Abgeordneter (und manchmal auch Botschafter und Minister) eigentlich nur Formulierungen, denen man uneingeschränkt zustimmen könnte. Wenn sie stimmen würden. Gerade Kanada hat in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass es an einem wirklichen Dialog mit den Ureinwohnern nicht annähern so interessiert ist, wie die öffentlichen Statements das glauben machen wollen.

Andere Organisationenlink

Interessant war auch zu beobachten, dass die Weltbank Anstalten macht, ihre Fehler der Vergangenheit als solche zu begreifen und einzugestehen. So sprach ein Vertreter der World Bank von neuen Mechanismen innerhalb der Organisation, die sicherstellen sollen, dass in Zukunft indigene Völker nicht mehr mit Entwicklungsmaßnahmen wie Staudämmen konfrontiert werden, die von der Weltbank unterstützt werden. Das war in der Vergangenheit ein häufiger Stein des Anstoßes. Es bleibt abzuwarten, ob diese Mechanismen sich als wirksam erweisen.

Andere UNO-Organisationen stehen schon länger auf der Seite der Ureinwohner. Dies sind vor allem die Welt-Arbeitsorganisation ILO, die älter als die UNO ist, die Welt-Gesundheitsorganisation WHO und seit einigen Jahren die Kulturbehörde UNESCO. Viele Statements dieser Organisationen bekundeten erneut die fruchtbare Zusammenarbeit. Auch der Weltkirchenrat WCC, in der fast alle Kirchen außer der katholischen zusammengeschlossen sind, muss hier lobend erwähnt werden. Doch auch der Vatikan, der vor der UNO als »Holy See« auftritt, meldete sich zu Wort.

Deutlich dünner als von der Agenda zu vermuten fiel die vorbereitende Diskussion zu der Konferenz überRassismus, Diskriminierung, Xenophobie und artverwandte Intoleranzen in Durban, Südafrika, aus. Viele der Teilnehmer, die sich zu Wort gemeldet hatten, waren frühzeitig abgereist. Das betraf auch die Diskussion um die internationale Dekade der indigenen Völker und die Fonds, mit denen Vertretern indigener Völker das Reisen zur UNO ermöglicht wird. AGIM hat auch in diesem Jahr wieder in diese Fonds gespendet, um so Ureinwohnern die Teilnahme zu ermöglichen.

Helena Nyberg (Incomindios) verabschiedet Erica-Irene Daes (Foto:Oliver Kluge 2001)

Erica-Irene Daeslink

Für eine vertraute Person war dieses Jahr in Genf jedoch der Abschied. Erica-Irene Daes, Delegierte aus Griechenland, Mitglied der Working Group und seit vielen Jahren deren Vorsitzende, nahm ihren Abschied.

Madame Daes, oder Madam Chair, wie sie von der Mehrzahl der Teilnehmer der Working Group angeredet wurde, hat sich in langen Jahren sehr große Verdienste um die WGIP erworben. Wie auch schon im Coyote 3/2000 berichtet, hat sie sich weltumspannende Reputation erarbeitet durch viele aufwändige Reisen. Sie wollte und will möglichst alles mit eigenen Augen sehen, und sie hört geduldig zu. Madame Daes hat viele Studien erarbeitet, um die Situation der Ureinwohner zu dokumentieren. Am bekanntesten ist wahrscheinlich ihre wegweisende Studie des Verhältnisses von Indigenen zu dem Land, auf dem sie leben.

Diese Fähigkeit, allen Seiten in einem Konflikt zuhören zu können und sich daraus eine fundierte Meinung zu bilden, hat sie bei Indigenen und Regierungen gleichermaßen beliebt gemacht. Zugleich kann sie diplomatisch geschickt auftreten, was hin und wieder zu Verwirrungen bei einzelnen Vertretern indigener Völker geführt hat. Doch die diplomatische, also bewusst un-provokante Sprache mit dem unverkennbaren griechischen Akzent im Englischen täuscht, in der Sache läßt sie nicht locker.

Die Teilnehmer dankten ihr während der Sitzung mit minutenlangem stehendem Applaus für ihre Arbeit. Ihre Abschiedsrede wurde immer wieder von Beifall unterbrochen. Man sah von unten im Sitzungssaal, dass auch die Simultandolmetscher in ihren Kabinen stehend applaudierten. Und zum Schluss bildete sich ein langes Defilee von Leuten, die ihr noch einmal die Hand schütteln und ihr alles Gute wünschen wollten.

Doch die Indigenen werden auch nach ihrem Ausscheiden aus der Working Group weiterhin eine starke und einflussreiche Verbündete in ihre haben. Dass sie auch nach der WGIP am Thema arbeitet, hat sie schon angekündigt. Madame Daes bleibt uns erhalten.

Erstellt von oliver. Letzte Änderung: Freitag, 28. Januar 2022 21:06:29 CET von oliver. (Version 2)

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