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Floyd Westernan im Konzert (Photo: Beatrice Weyrich) Kanghi Duta: Der Indianer des 20. Jahrhunderts – zum Tod von Floyd Westerman

von Dionys Zink
(veröffentlicht 4/2007)

Für Europäer, zumal für interessierte Indianerunterstützer war er alle Indianer des 20. Jahrhunderts zugleich, Floyd Westerman, der sich erst in der zweiten Hälfte seines Lebens auch mit seinem indianischen Namen Kanghi Duta (Red Crow) in der Öffentlichkeit präsentierte.

Floyd Westerman wurde 1936 als Angehöriger der Sisseton-Wahpeton Dakota auf der Lake Traverse Reservation im US-Bundesstaat South Dakota geboren Er durchlitt ab dem Alter von sieben Jahren das amerikanische Boarding-School-System, dessen Daseinszweck vornehmlich darin bestand aus Indianern weiße Amerikaner dunkler Hautfarbe zu machen. Schon in der Schule schloss er Freundschaft mit einem Jungen namens Dennis Banks von den Anishinaabe und er entdeckte dort sein Interesse und sein Talent für Musik Trotz der ungünstigen Voraussetzungen gelang Floyd Westerman der Abschluss seiner Ausbildung am Northern State College South Dakota und er zog nach Denver (Colorado), wo er in Kneipen und Bars als indianischer Country-Sänger auftrat, dessen Sound sich am Country-Rebellen Johnny Cash orientierte. In letzten Jahr (2006) erschein dann auch eine Tribute-CD aus Floyds Werkstatt, die den großen Mann der kritischen Country-Music ehrte. In Denver lernte er den Indianer-Philosophen Vine Deloria jr. kennen, dessen Einfluss und Ideen dem Leben des aufstrebenden Country-Sängers eine andere Richtung geben sollten.

Mit einem Schlag bekannt wurde er dann mit seiner ersten Langspielplatte „Custer Died For Your Sins“(1970), deren Titel und teilweise auch deren Inhalte aus einem der Schlüsseltexte Vine Delorias übernommen worden waren. In den Texten jener Songs verarbeitete Floyd die grundlegende Skepsis seiner Generation gegenüber Institutionen und Gruppierungen, die angeblich entstanden, um „das Los der Indianer zu verbessern“. Mit eingängigen Songzeilen, wie „B.I.A. , I’m not your Indian anymore!“ formulierte er den radikalen Protest seiner Generation gegen den staatlichen Machtmissbrauch in den Indianerbehörden. Lieder wie „Here Come the Anthros“ machten sich über eine Ethnologie als Wissenschaft lustig, die vor allem auf der Suche nach einer scheinbar „authentischen“ Vergangenheit der Indianer gar nicht bemerkte, wie sehr sie sich zum letzten Reservat der Kolonialherren machte. Floyd Westerman erreichte mit seinen Liedern vor allem eine linksliberale Öffentlichkeit. Seine größten Erfolge hatte er damit aber in Europa, zu ätzend war seine Kritik auch an den amerikanischen Gutmenschen.

In den 60er Jahren begannen sich vor allem junge Leute in den USA für die Situation der Indianer zu interessieren. Die Hippie-Gegenkultur identifizierte sich mit den Exoten und vermeintlichen Underdogs der amerikanischen Gesellschaft. Floyds Freund Vine Deloria stellte fest, dass es bei weißen Amerikanern so etwas wie einen Pocahontas-Komplex gibt. Viele Amerikaner, nicht zuletzt nahezu jeder US-Präsident, reklamieren für sich wenigstens eine indianische Vorfahrin, bevorzugt eine Angehörige des Cherokee-Volkes. Deloria entlarvte diese Inflation an Indianer-Prinzessinnen als eine demographische Unmöglichkeit und stellte sie als das dar, was sie eigentlich bedeutet. Sie ist Ausdruck einer Identifikation mit dem Ziel die historische Schuld der amerikanischen Gesellschaft gegenüber den Indianern zu relativieren. (Ganz ähnliche Motive finden sich im Übrigen auch in den stereotypen Erzählungen vom Umgang der Deutschen mit Juden in der Nazizeit und in den unmittelbaren Nachkriegsjahren).

Westerman machte daraus einen anklagenden Song: „Where were you when…“, der den „neuen Verwandten“, die sich plötzlich zu Sioux oder halben Cherokee erklärten, weil der Zeitgeist radikal Angehörige von ethnischen Gruppen und marginalisierten Minderheiten als chic empfand, genau dieses zum Vorwurf machte. Das Lied erinnerte daran, dass in der Zeit des Völkermords und seiner Fortsetzung im 20. Jahrhundert keiner der vielen Neo-Indianer amerikanischer Ureinwohner sein oder den tatsächlichen Indianern helfen wollte.

Amerikanische Behörden, Wissenschaft und Gesellschaft mussten einem politisch und kulturell aktiven Indianer inden frühen 70er Jahren als hoffnungslos borniert und rassistisch erscheinen. Mit den spektakulären Aktionen von Alcatraz und Wounded Knee (Floyd gehörte zu den Besetzern) war man mittlerweile weltweit auf die Situation inden Reservaten aufmerksam geworden. Floyd stellte sich Sprecher des International Indian Treaty Council in den Dienst einer panindianisch gedachten Bewegung, die rasch Interessensorganisationen neuen Typs entwickelte. Statt demütig die Rolle der gefiederten Almosenempfänger zu spielen, traten zornige junge Männer mit Vietnam-Erfahrung an die Öffentlichkeit und suchten den Kontakt zu Ureinwohnern in Südamerika, Australien und Neuseeland. Erstmals erschienen Indianer bei den Vereinten Nationen und klagten die USA und Kanada der systematischen Menschenrechtsverletzung, des Landraubs und des Ressourcendiebstahls an.

Schon früh erkannte Floyd Westerman die Schlüsselrolle der Nuklearindustrie bei der Ausbeutung und Zerstörung indianischen Landes. Zusammen mit Harry Belafonte tourte er schon 1978 durch Europa um auf die Vernichtung der Lebensgrundlagen aufmerksam zu machen. In Konzerten aber auch als Musikautor arbeitete Floyd mit vielen Künstlern von Rang und Namen zusammen, z.B. mit Bonnie Raitt, Buffy St. Marie, Kris Kristofferson und Willie Nelson, um nur einige zu nennen.
Auf dem Hintergrund der Erfahrungen dieser Zeit, den zahlreichen Reisen in Nordamerika nach Südamerika und vor allem nach Europa entstand 1982 Floyds zweite Langspielplatte „This Land is Your Mother“.

Ende der 80er Jahre wechselte Floyd Red Crow Westerman dann den den Schwerpunkt seiner kreativen Arbeit und debütierte als Schauspieler. Mit seiner Rolle als Häuptling Ten Bears in „Der mit dem Wolf tanzt“ wurde sein Gesicht mit einem Mal zum Markenzeichen für einen bestimmten Typ von Indianer, der bereits in der Literatur und in früheren Filmen (u.a. „Little Big Man“) präfiguriert war. Er verkörperte häufig den zurückhaltenden älteren Ratgeber, der auf eine lange Lebensgeschichte und viele Erfahrungen zurückblickt. Mit vielen Auftritten in Fernsehserien wurde er benen Graham Greene zum vermutlich bekanntesten indianischen Gesicht der USA.

Floyd war ein großer und witziger Erzähler. Auf einer Promotiontour für Costners Film, erzählte er dem Verfasser von der Reaktion des Publikums in Rapid City (South Dakota) auf „Der mit dem Wolf tanzt“, von den spektakulären Filmaufnahmen der Büffelherde und den Tricks der Filmemacher einen der ausgewachsenen Büffel Neil Youngs dazu zu bringen sich auf dem Boden zu wälzen. (Der riesige Pflanzenfresser erwies sich als Salzcracker-Junkie, den schon das Schütteln der Kekspackung gefügig machte.) Trotz seiner Erfolge im Filmgeschäft, er war an über 50 Film- und fernsehproduktionen beteiligt, blieb Floyd auch im politischen Bereich unermüdlich tätig. Er reiste 1990 mit Sting durch die Welt, um gegen die Vernichtung des tropischen Regenwalds zu protestieren und Geld für das Rainforest Foundation Project zu beschaffen und war auch Teilnehmer beim World Uranium Hearing 1992 in Salzburg.

Immer verstand sich Floyd als Läufer in einem Staffellauf, der mit Chief Dan George und Will Sampson (z.B. als Chief Bromden in „Einer flog über’s Kuckucksnest“) einen Stab weiterreicht. Aus seiner Arbeit in der Medienindustrie entstand deshalb ein weiteres Projekt, Eyahapa, eine Produktionsfirma, die weniger den finanziellen Profit sucht, als vielmehr daran geht, jungen Indianern mit musikalischen und filmischen Ambitionen Startchancen im Mediengeschäft zu verschaffen.

Zuletzt begegnete der Verfasser dem Musiker, Schauspieler und Politiker Red Crow in einem denkwürdigen Kontext. Im modernst ausgestatteten „Museum of the Cherokee Indian“ in North Carolina findet sich ein futuristisch anmutendes Projektionsgerät mit dem ein Film gezeigt wird, in dem ein Erzähler aus der Vergangenheit, dargestellt von niemand anderen als Floyd Westerman, einen Schöpfungsmythos der Cherokee erklärt. Ethnologisch korrekt infizierte Zeitgenossen mögen ihr Problem damit haben, dass ein Dakota-Indianer einen Cherokee darstellt, aber dieser kurze Film repräsentiert noch einmal alles, was das öffentliche Leben des Floyd Red Crow Westerman ausgemacht hat: die Rolle als kultureller Vermittler, die Verwurzelung in einem gemeinsamen indianischen Bewusstsein, das aus den historischen Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts gewonnen wurde und schließlich in der Darstellungstechnik die pragmatische Aneignung und Nutzung gegebener Möglichkeiten des neuen Jahrtausends.

Kanghi Duta, Floyd Red Crow Westerman, ist am 13.12. 2007 im Alter von 71 Jahren an den Komplikationen einer Leukämie-Erkrankung in Los Angeles gestorben.

Vinyl-Raritäten von Floyd Westerman


Sie sind leider weg, meine Platten von Floyd Red Crow Westerman. Sie verschwanden im Eine-Welt-Haus in München, als wir dort mit Henry Red Cloud ein Interview für das Müchener Lokalradio aufzeichneten.

Bei der Plattenfirma Trikont gibt es nach Auskunft am Trikont Buchmesse-Stand 2007 vielleicht noch wenige Restexemplare. Ansonsten bleibt nur der Weg über das Internet. Floyd kaufte die Rechte an seinen Platten zurück. Seine Firma vertreibt sie als CDs über einen großen amerikanischen Online-Anbieter.
Erstellt von dionys. Letzte Änderung: Sonntag, 22. März 2020 17:33:54 CET von oliver. (Version 6)