Liebe Unterstützer*innen,

die Umweltkonferenz COP26link-external, die im November in Glasgow stattfand, hat einmal mehr die drängenden Probleme des Klimawandels vor Augen geführt, welche in vielen Regionen der Welt von existenzieller Bedeutung sind. Sie sind nicht zuletzt das Ergebnis einer kapitalistischen, rücksichtlosen Ausbeutungspolitik fossiler Ressourcen durch Regierungen und Konzerne, welche sich die Profitmaximierung zum Ziel gesetzt haben — häufig auf Kosten indigener Völker, deren Lebensweise durch diese Ressourcenpolitik bedroht ist. Ihre Zukunft steht auf dem Spiel, und die Probleme können nur gelöst werden, wenn die Antworten und Strategien als untrennbar von ihren Menschenrechten gedacht werden. Die blumigen Versprechen zur Abkehr von der fossilen Energienutzung, welche auch Kanada in Aussicht gestellt hat, werden von den realen Ereignissen einmal mehr widerlegt. Dabei rückt die mit heftigen Waldbränden und Überflutungen in diesem Jahr besonders gezeichnete kanadische Provinz British Columbia in den Fokus.

Solidarität mit dem Widerstand der Wet’suwet’enlink

Die Bilder sind noch in Erinnerung, als die RCMP mit militärischer Ausrüstung, Hunden und Tränengas im Januar 2020 das Widerstandscamp der Wet’suwet’en stürmte, mit dem sie sich der Missachtung ihrer Landrechte in den Weg stellten und ihr Land gegen die Bedrohung durch die Coastal GasLink (CGL) verteidigten. Die Pipeline des Betreibers TC Energy soll Fracking-Gas vom Norden der Provinz British Columbias quer durch das traditionelle Land der Wet’suwet‘en an die Pazifikküste transportieren.

Vom 18.-21. November 2021 kam es erneut zu paramilitärischen Übergriffen durch die RCMP und willkürlichen Verhaftungen am Gidimt’en Checkpoint und im Coyote Camp — nicht nur von Indigenen, sondern auch von Journalist*innen. Insgesamt gab es 36 Festnahmen seit der Errichtung des Coyote Camps der Gidimt’en (einem der fünf Clans der Wet’suwet’en) am 25.09.2021. Das Camp befindet sich an jener Stelle, an der die CGL den Wedzin Kwa (Morice River) durchqueren soll. Die Indigenen hatten dort am 16. November eine Blockade errichtet und die CGL-Arbeiter aufgefordert, ihr rechtmäßiges traditionelles Territorium zu verlassen, woraufhin die RCMP die Blockade gewaltsam räumte.

Inzwischen haben indigene und Menschenrechtsorganisationen erneut ihre Solidarität und Unterstützung für die Wet’suwet’en bekundet. Am 29.11. wandten sich fast 70 Unterzeichner*innen in einem offenen Brief an Kanadas Premierminister Justin Trudeau. Darin forderten sie den sofortigen Stopp aller Pipeline-Projekte auf dem Gebiet der Indigenen. Im ganzen Land kam es zu Protestaktionen, u.a. mit Mahnwachen Kundgebungen und Blockaden. Solidaritätsbekundungen kamen auch aus den USA, u.a. vom Indigenous Environmental Network oder Lakota Law.

Am 4. Dezember appellierten zudem Hunderte Akademiker*innen ebenfalls in einem offenen Brief an Trudeau, um den Schutz der Rechte der Wet’suwet’en einzufordern. Die jüngsten Übergriffe gegen die Indigenen verletzen das „Memorandum of Understanding“, welches die Wet’suwet’en mit den Regierungen von British Columbia und Kanada im Mai 2020 vereinbart hatten.

Zeitgleich haben sich die indigenen Land Defenders mit einem „Early Warning Urgent Action“-Appell an die Vereinten Nationen gewandt. Bereits 2019 forderte das UN-Komitee zur Abschaffung von Rassendiskriminierung (CERD) Kanada auf, sowohl die Arbeiten an der CGL als auch der Trans Mountain Line und des Site C-Damms sofort einzustellen, solange keine freie Zustimmung der indigenen Völker, deren Land von den Projekten betroffen ist, vorliegt. CERD hatte scharfe Kritik am kanadischen Vorgehen geübt, insbesondere an den gewaltsamen Übergriffen gegen die Indigenen durch RCMP & Co. Kanada verstößt mit seiner Politik klar gegen die Bestimmungen der UN-Deklaration der Rechte der Indigenen Völker (2007), welche das kanadische Parlament erst im Juni 2021 zum „Bestandteil des kanadischen Rechtssystem“ erklärt hatte. Worte und Taten liegen hier jedoch vor allem in der Interpretation der Regierung deutlich auseinander – obwohl selbst kanadische Gerichte wiederholt die Rechte der Indigenen bestärkten.

Mit der Delgamuukw-Entscheidung (1997) hatte der Supreme Court of Canada auch die Landrechte der Wet‘suwet’en über ihr traditionelles Territorium von 22.000 km2 sowie die Entscheidungshoheit der Hereditary Chiefs in allen Landfragen gemäß dem traditionellen Regierungssystem der Wet’suwet’en bestätigt. Die Zuständigkeit in Landrechts- bzw. Landnutzungsfragen untersteht nicht den nach dem „Indian Act“ geschaffenen Band Councils, von denen einige Deals mit TC Energy geschlossen haben, sondern den traditionellen Chiefs (Frauen wie Männern).

Auch unsere Solidarität ist gefordert — nicht nur mit Appellen an die kanadische Regierung, ihre Verpflichtungen gegenüber den Indigenen einzuhalten, sondern vor allem auch mit Forderungen an die bisherigen Geldgeber des Projekts, u.a. KKR, AIMco oder die National Australia Bank.

Mit einer Online-Petition von 350.orglink-external wird die NAB aufgefordert, sich aus dem Projekt zurückzuziehen. Stichtag ist der 17.12.2021, die Jahresversammlung der Bank, die allein letztes Jahr die CGL mit einem Kredit in Höhe von 117 Millionen kanadische Dollar unterstützt hat. Anfang November hatte die Bank in einem offensichtlichen Akt von „greenwashing“ verkündet, die Finanzierung fossiler Energieprojekte zu limitieren und insbesondere keine neuen Projekte zur Gasförderung zu unterstützen.

Petitition An Urgent Call for Solidarity with Wet’suwet’en Land Protectorslink

Am 1.12.2021 wurde Matriarchin und Dzeke ze’ Freda Huson (weibliches Oberhaupt der Unist’ot’en) für ihren Einsatz für die Rechte der indigenen Völker und gegen die CGL mit dem Right Livelihood Award 2021 („alternativer Friedennobelpries“) ausgezeichnet (siehe auch Newslink-external).

Auszeichnung für Tiny House Warriorslink

Einen weiteren Kampf führen die Tiny House Warriors der Secwepemc um ihre Rechte und gegen die Trans Mountain Pipeline (TMX). Seit mehr als vier Jahren stellen sie sich auf dem traditionellen Gebiet der Secwepemc dem Bau der Ölpipeline in den Weg – u.a. durch die Errichtung von „tiny houses“, also Hütten, die sie mit Solarenergie autark betreiben und auf der geplanten Pipeline-Route errichtet haben. Kanahus Manuel, eine der Sprecher*innen der Tiny House Warriors, begrüßte die Auszeichnung mit dem „Carole Geller Human Rights Award“ als Anerkennung für ihren Einsatz für die Rechte der Indigenen. 2018 hatte die kanadische Regierung die Pipeline gegen den erklärten Protest der Indigenen vom texanischen Konzern Kinder Morgan für 4,5 Milliarden Dollar gekauft, nachdem das Unternehmen die Einstellung des Pipeline-Projekts angekündigt hatte.

Der Preis wurde 1987 von der kanadischen Menschenrechtaaktivistin und Feministin Carole Geller, die sich vor allem der Unterstützung indigener Rechte widmete, ins Leben gerufen und ist mit $15.000 dotiert. Zu den bisherigen Preisträger*innen zählen u.a. Idle No More (2013) und die indigene Aktivistin Sharon McIvor (2007).

Abschied von Jimmie Durham (1940 – 2021)link

Der Cherokee war wohl eine der interessantesten indigenen Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. In seinem vielfach ausgezeichneten Werk setzte er sich häufig mit den Stereotypen auseinander, welche das Bild der Indigenen/Indianer*innen bis heute prägen. Wiederholt waren seine Werke auch in Europa zu sehen, u.a. bei der Documenta in Kassel oder der Biennale in Venedig (vgl. Artikel im Coyote Nr. 114).

Zugleich war der vielseitige Künstler (Bildhauer, Schriftsteller etc.) auch stets politisch aktiv, u.a. beim American Indian Movement, dem International Indian Treaty Council, und engagierte sich Jahrzehnte lang für die indigenen Rechte. Ein ausführlicher Nachruf folgt in der nächsten Coyote-Ausgabe.

Goodbye Joanne Shenandoah (1957 – 2021)link

Die Oneida Joanne Shenandoah war weit über die Grenzen indigenen Musikschaffens hinaus eine anerkannte und gefeierte Musikerin, Sängerin und Komponistin, u.a. erhielt sie 2005 den Grammy Award für ihr Album „Sacred Ground“ – eines ihrer fast zwei Dutzend Alben, auf denen sie traditionelle und zeitgenössische Musik verwob. Weitere Preise wie zahlreiche Native American Music Awards folgten.

Neben der Musik engagierte sie sich für den Erhalt der Kultur der Haudenosaunee, indem sie gemeinsam mit ihrem Mann Doug George-Kanentiio (Mohawk) das „HIAWATHA Institute for Indigenous Knowledge“ gründete und sich für indigene Rechte und gegen den Klimawandel engagierte. Ein ausführlicher Nachruf folgt in der nächsten Coyote-Ausgabe.

Absage „Indianer Inuit Filmfestival“link

Aufgrund der aktuellen Entwicklung der COVID-19-Pandemie muss das „Indianer Inuit Filmfestival“link-external, das vom 6.-9.02.2022 hätte stattfinden sollen, verschoben werden, nicht zuletzt, weil Gäste wie der Regisseur Chris Eyre (Cheyenne/Arapaho) nicht anreisen können. Die Organisator*innen hoffen, das Filmfest Anfang 2023 nachholen zu können.

„Warrior Women statt Pocahontas“link

Bereits zum 30. Mal jährt sich die Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“, welche 1991 von UN Women ins Leben gerufen wurde, um auf die anhaltende Gewalt an Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen und deren Ende zu fordern. Die 16 Tage beginnen mit dem 25.11., dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, und finden ihren Abschluss am Internationalen Menschenrechtstag am 10. Dezember.

Die Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte hatte in Kooperation mit der Citykirche Offener St. Jakob, Incomindios und WILPF (Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit) die Gelegenheit, unsere Ausstellung „Warrior Women statt Pocahontas“ in Zürich zu präsentieren und am 27.11. mit einem Vortrag von Monika Seiller die spezifische Situation sowie die Hintergründe der Gewalt an indigenen Frauen und Mädchen in den USA und Kanada zu erläutern. Zum Abschluss der Ausstellung ist am 10.12. der Film „Warrior Women“ von Elizabeth Castle und Christina King zu sehen. In einer Live-Schaltung werden sich Elizabeth King, Marcella Gilbert und Lori High Elk den Fragen des Publikums stellen (siehe Flyer im Anhang).

In Solidarität mit dem Selbstbestimmungsrechte der indigenen Völker!

Herzliche Grüße
Monika Seiller
Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V.
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Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. (AGIM) ist ein gemeinnütziger Verein (gegr. 1986) zur Unterstützung der Rechte der indigenen Völker Nordamerikas und Herausgeberin des Magazins COYOTE.

AGIM e.V. (Action Group for Indigenous and Human Rights, est. 1986) is a non-profit human rights organization dedicated to supporting the right to self-determination of Indigenous peoples in North America. We publish a quarterly magazine COYOTE.

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