Liebe Unterstützer*innen,

wie erwartet begann auch das neue Jahr nicht mit einer aktivistischen Verschnaufpause, sondern neuen Herausforderungen, aber auch positiven Meldungen.

Der Schock saß tief, als ein aggressiver Mob das US-Kapitol in Washington stürmte und in letzter Sekunde den demokratischen Ablauf der Bestätigung von Bidens Wahlsieg bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen verhindern wollte. Mit Mordrufen gegen Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Abgeordnetenhauses, zeigten Rechtsextreme, Verschwörungstheoretiker und Waffenbesessene, dass sie ihre Hassbotschaften und rassistischen Ideologien auch in die nächste Präsidentschaft tragen werden.

Während der scheidende Präsident noch in letzter Minute eine bunte Mischung an dubiosen Figuren begnadigte, erfüllte sich die – unrealistische – Hoffnung nicht, dass der politische Gefangene und AIM-Aktivist Leonard Peltier nach vier Jahrzehnten Haft zu den Begnadigten zählen würde. Der Kampf um seine Freilassung geht weiter.

Coyotelink

Die neue Ausgabe unseres Magazins Coyote ist als Doppelnummer mit 96 Seiten erschienen und bereits an alle Abonnent*innen verschickt. Das Magazin geht damit jetzt in den 33. Jahrgang! Neben der Berichterstattung über die Präsidentschafts- und Kongresswahl, bei der die Indigenen diesmal als wichtiges Zünglein an der Waage ihre Stimmen nutzten, berichten wir natürlich über die jüngsten Entwicklungen zu den Pipelinevorhaben, gegen die indigene Aktivist*innen weiterhin entschlossen Widerstand leisten, u.a. gegen die Line 3 von Enbridge in Minnesota.

Wie der anhaltende Rassismus das indigene Leben in allen Facetten betrifft, zeigen zwei unterschiedliche Beispiele – der Tod einer jungen Attikamekw in einem Krankenhaus in Quebec, der auf die tragische Geschichte des Rassismus in den „Indian Hospitals“ verweist, und die Auseinandersetzungen um die Fischereirechte der Mi’kmaq in Nova Scotia, die sich heftigen – auch rassistischen – Angriffen zu Wehr setzen müssen.

Einen besonderen Schwerpunkt bilden zahlreiche Rezensionen der Bücher, die bei der verschobenen Frankfurter Buchmesse – mit Kanada als Gastland – hätten präsentiert werden sollen. Leider entfiel damit auch die persönliche Begegnung mit den indigenen Autor*innen, doch wir stellen wenigstens einige der aktuellen Publikationen vor.

European Alliance for the self-determination of indigenous peopleslink

Gemeinsam sind wir stark – das Motto gilt auch für uns Unterstützer*innen der indigenen Rechte. Seit 1985 trafen sich Unterstützungsorganisationen aus ganz Europa zu den jährlichen „Euromeetings“, doch die Zahl der Organisationen und Aktivist*innen ist in vielen Ländern geschrumpft. Andererseits hat sich seit Jahren eine feste Allianz aus Organisationen in Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz (in alphabetischer Reihenfolge) etabliert, die sich nun als Verein eine feste Struktur gegeben hat. Der Verein will nicht nur gemeinsam agieren (was wir bislang ohnehin machen), sondern unser stärkeres Gewicht nutzen, um den Indigenen auf europäischer und internationaler Ebene, z.B. den Vereinten Nationen, mehr Gehör zu verschaffen. Eine gemeinsame Webseite ist im Aufbau.

Atomwaffenverbot in Kraft: Aktionlink

Seit Beginn unserer Arbeit als Veren für die indigenen Rechte hat uns das Thema Atomwaffen begleitet. Seit Jahrzehnten unterstützen wir die Western Shoshone, auf deren traditionellem Land im US-Bundesstaat Nevada zwischen 1951 und 1992 119 oberirdische und über 1000 unterirdische Atombombentests sowie zahlreiche Raketentests stattfanden. Eine der entschlossensten indigenen Aktivist*innen war Carrie Dann, die gemeinsam mit ihrer 2005 verstorbenen Schwester Mary unter anderem mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet wurde. Carrie, die im Januar im Alter von 89 Jahren im Januar 2021 starb (Nachruf im aktuellen Coyote), konnte einen wichtigen Durchbruch gegen die Atomwaffen nicht mehr miterleben – das Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrags.

Am 22.01.2021 trat der Vertrag gegen Besitz, Erwerb, Entwicklung und Stationierung von Atomwaffen in Kraft – mehr als 75 Jahre nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki. Treibende Kraft hinter der Initiative zur Ächtung der atomaren Waffen war das Netzwerk ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons), das 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Unter dem Dach der Vereinten Nationen wurde der Vertrag 2017 von 122 Staaten unterzeichnet. Mit der 51. Ratifizierung durch Honduras trat das Atomwaffenverbot nun in Kraft – doch die Sache hat einen Haken: sämtliche Atommächte wie auch die Nato-Mitgliedsstaaten lehnen den Vertrag ab. Von den europäischen Staaten haben ihn lediglich Österreich, Irland und Malta ratifiziert – Deutschland und die Schweiz verweigern sich. Sowohl Kanzlerin Merkel als auch Außenminister Maas verweigern sich einem klaren Bekenntnis zu dem Verbot. Entgegen unzähligen Kommunen und Bürgermeistern, die sich dem Verbot angeschlossen haben, bezeichnen sie den Vertrag als „kontraproduktiv“. Die Bundesregierung erklärte, das Verbot würde zur „Verhärtung des Abrüstungsdialogs“ beitragen. Der Grund für die ablehnende Haltung der Regierung liegt im rheinland-pfälzischen Büchel, denn dort sind die US-Atomwaffen stationiert. Würde Deutschland dem Vertrag beitreten, müssten die USA ihre Atomwaffen abziehen.

Genau das fordern wir. Im Herbst 2021 wird der Bundestag neu gewählt, deshalb müssen wir uns jetzt an die Parteien wenden (siehe Brief im Anhang), das Atomwaffenverbot zum Wahlziel zu erklären. 167 Mitglieder des Bundestags haben bereits die Erklärung von ICAN unterzeichnet. Der Rest muss folgen!

Biden stoppt Keystone-XL-Pipelinelink

Noch am Tag seiner Amtseinführung am 20. Januar unterzeichnete Joe Biden als 46. US-Präsident eine „Executive Order“, um die Genehmigung der Keystone-XL-Pipeline aufzuheben – ein wichtiger Erfolg für Indigene und Umweltschützer*innen, die sich seit Jahren gegen die Pipeline engagieren, die Teersandöl von Kanada aus quer durch indigenes Land in den USA (u.a. South Dakota) bis nach Texas führt und wichtige Wasserreservoirs wie den Oglala Aquifer bedroht. Bereits unter Bidens damaligem Chef, Präsident Obama, wurde die Pipeline 2015 gestoppt, doch von Trump mittels Präsidentenerlass vorangetrieben – obwohl noch Gerichtsverfahren anhängig sind und wichtige Umweltgutachten fehlen.

Nun mehren sich die Forderungen an Biden, auch die Dakota Access Pipeline zu stoppen, die 2016 für weltweite Schlagzeilen sorgte, als Zehntausende von Indigenen und Aktivisten als „Water Protectors“ Widerstand vor Ort in North Dakota leisteten. Die Vorgänge um die DAPL und deren dubiose Genehmigungsverfahren unterscheiden sich in keiner Weise von der Keystone XL, weshalb die Indigenen auch den sofortigen Stopp der DAPL fordern. Jodi Archambault, Mitglied der Standing Rock Sioux, die Obamas Beraterin für indigene Fragen war, bezeichnet die DAPL schlicht als illegal, da sie Vertragsrechte und Umweltgesetze verletzt, und verweist auf zahlreiche Gerichtsentscheide. Am 26.01.2021 setzte ein Berufungsgericht die Genehmigung der DAPL erneut aus, bis ein neues Umweltgutachten bei der nächsten Anhörung am 10. Februar vorgelegt wird.

Die Indigenen erinnern Biden an seine Versprechen im Wahlkampf, als er die Abkehr von Fracking und nicht erneuerbaren Energien und die Unterstützung des Pariser Klimaabkommens verkündete.

Genehmigung für Line 5link

Am 28.01. genehmigte Michigans Umweltbehörde den Bau eines neuen Tunnels für die Pipeline Line 5 des kanadischen Unternehmens Enbridge, der durch den Lake Huran und den Lake Michigan führt – gegen den erklärten Willen von Michigans demokratischer Gouverneurin Gretchen Whitmer. Die Pipeline soll 2024 fertiggestellt werden, doch die Gegner der Pipeline wollen sich nicht geschlagen geben, denn nicht zuletzt angesichts der Unfallchroniken von Enbridge ist die Gefahr der Lecks und damit der Verseuchung der Gewässer zu groß. Noch stehen weitere Umweltgutachten aus und Gerichtsklagen könnten das Projekt noch stoppen.

Aktion: Build back fossil freelink

Für die Woche vom 8.-13. Februar 2021 rufen das Indigenous Environmental Network, Build Back Fossil Free, Indigene und Umweltschützer*innen zu einer Aktionswoche auf, bei der Präsident Biden aufgefordert werden soll, der fossilen Energienutzung den Rücken zu kehren. Der Stopp der Keystone XL kann nur ein erster Anfang sein. Die Indigenen fordern uns auf, diese Kampagne zu unterstützen und uns COVID-19-konform an der Aktionswoche zu beteiligen.

Wir bitten daher alle Unterstützer*innen, ein Foto (z.B. mit dem Schild im Anhang) zu machen und in den sozialen Medien zu posten.

Unterstützung für Deb Haaland: Appell an Senator*innenlink

Als Joe Binden die Nominierung der demokratischen Abgeordneten als erste indigene Innenministerin verkündete, war dies ein Freudentag in Indian Country. Die Pueblo ist nicht nur eine entschiedene Gegnerin der diversen Pipelines – KXL, DAPL oder Line 3 – und eine Verfechterin der Abkehr von der Nutzung fossiler Energie hin zu einem neuen klimagerechten „Green New Deal“. Als Innenministerin wäre sie nicht nur zuständig für die 574 „recognized tribes“, also die von der Bundesregierung anerkannten Stämme, sondern auch für öffentliches Land und Nationalparks bzw. die damit verbundenen Ressourcen. Erfahrungen diesbezüglich konnte sie bereits in den letzten zwei Jahren als Stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für natürliche Ressourcen des Abgeordnetenhauses sammeln.

Nun könnte man naiv annehmen, dass auch in den USA die Erkenntnis reifen würde, dass es längst überfällig sei, eine Indigene ins Kabinett zu holen, doch der Aufschrei der Gegenseite ließ nicht lange auf sich warten. Der republikanische Abgeordnete Pete Stauber aus Minnesota (dort wo die Line3 gebaut werden soll) führt einen Feldzug gegen Haalands Nominierung an. Kabinettsmitglieder – damit auch die Innenministerin – müssen nach der Nominierung durch den Präsidenten vom Senat bestätigt werden. Derzeit stehen die Kräfteverhältnisse im Senat 50:50 mit Vizepräsidentin Kamala Harris als entscheidender Stimme bei einem Patt. Doch längst ist nicht gesichert, dass die Nominierung von Deb Haaland die Mehrheit im Senat erhält. Die European Alliance for the Self-Determination of Indigenous PeopleS hat sich daher in einem Schreiben an die 50 republikanischen Senatoren gewandt, um Haalands Bestätigung zu unterstützen. Brief und Adressen der Senatoren finden sich im Anhang. Noch steht kein Anhörungstermin im Senat fest, doch die Zeit drängt – es wäre eine erschütternde Niederlage, sollte die Bestätigung Haalands an wenigen Stimmen scheitern.

Wir bitten daher im Briefe an die Senatoren!

Memorandumg zur Stärkung der Nation-to-Nation-Beziehunglink

Biden hatte im Wahlkampf angekündigt, die Beziehungen zu den Indigenen, die in den letzten vier Jahren völlig ignoriert wurden, wiederzubeleben. Die neue Administration bekenne sich zu ihren (Vertrags-)Verpflichtungen gegenüber den Indigenen und wolle deren Souveränität stärken. Es sei im besten Interesse der USA, wenn die Stammesregierungen in der Führung ihrer Aufgaben gestärkt würden, so im Memorandum, das Biden am 26.01. unterzeichnete. Gerade angesichts der Herausforderungen von Corona-Pandemie, Klimawandel, wirtschaftlichen Problemen und Fragen sozialer Gerechtigkeit sei es erforderlich, alle Maßnahmen, welche Indigene betreffen, in enger Konsultation mit den Tribes vorzunehmen. Jede Behörde soll daher einen Liaison-Officer für die Kommunikation mit den Indigenen benennen, der oder die innerhalb der nächsten sechs Monate einen Kooperationsplan vorlegen soll.

Das Memorandum steht in Zusammenhang mit ersten Personalentscheidungen. Biden ernannte Elizabeth „Libby“ Washburn (Chickasaw) als Sonderbeauftragte für indigene Angelegenheiten des White House Domestic Policy Council – jener Aufgabe, die zuvor Jody Archambault unter Obama innehatte. Außerdem benannte er Wahleah Johns als Leiterin des Office of Indian Energy Programs and Policy. Unter Trump wurde das Budget der Behörde von $22 Millionen auf $8 Millionen gekürzt. Die Dineh will nun die Versäumnisse der letzten Jahre nachholen. John war Gründerin und Direktorin von Native Renewables, einem Energieunternehmen, das Indigene auf der Navajo Reservation mit Solarenergie versorgt – sie selbst ist noch ohne Strom und Wasser auf der Reservation aufgewachsen. Außerdem ist sie Vorsitzende der Navajo Green Economy Commission.

Debra White Plum (1954 – 2020)link

Es kommt nicht alle Tage vor, dass eine indigene Aktivistin mit einem Nachruf in der New York Times gewürdigt wird, doch Debra White Plume war eine internationale Berühmtheit und eine beharrliche Fürsprecherin indigener Rechte, die sich „Polizeikugeln, Urankonzernen und Ölpipelines“ tapfer in den Weg stellte, wie Zeitung es formulierte.

Debra wurde 1954 auf der Pine Ridge Reservation geboren und nahm 1973 am Widerstand von Wounded Knee teil, wo sie gemeinsam mit AIM gegen die Willkürherrschaft des damaligen Lakota-Präsidenten Dick Wilson genauso Widerstand leistete wie den Angriffen des FBI. Damals ging es um die Uranvorkommen auf dem Gebiet der Indigenen, heute sind es vor allem die Öl-Multis, gegen die die Indigenen Widerstand leisten müssen. In den letzten Jahren engagierte sie sich vor allem gegen die Keystone XL und die Dakota Access Pipeline. Ihren letzten Kampf gegen den Krebs verlor sie am 10. November 2020.

David gegen Goliath: Shell muss Ogonie in Nigeria entschädigenlink

Siege gegen Energie-Multis sind selten, doch das jüngste Urteil eines niederländischen Gerichts könnte wegweisend sein – mit langfristigen Folgen für internationale Energiekonzerne. Das Den Haager Berufungsgericht entschied am 29.01., dass ein Tochterunternehmen des Konzerns mehrere Bauern in Nigeria für die Verseuchung des Landes entschädigen muss – und das Gericht stellte fest, dass der Mutterkonzern zwar nicht direkt haftbar zu machen ist, aber seine Sorgfaltspflicht verletzt habe. Schätzungen zufolge sind im Niger-Delta mehr als elf Millionen Barrel Öl ausgetreten und haben die dortigen Bauern der Ogoni ihrer Lebensgrundlage beraubt.

Bereits 2013 wurde Shell zu Entschädigungszahlungen verurteilt, doch das jetzige Urteil geht darüber hinaus und bedeutet, dass Forderungen gegen ausländische Tochterunternehmen auch am Hauptsitz des Mutterkonzerns geltend gemacht werden können.

Vor allem ist das Urteil auch ein Schlag gegen die nigerianische Regierung, welche die Proteste von Bauern und Umweltschützer*innen immer wieder brutal niedergeschlagen hatte. Aufmerksamkeit errang die Situation in Nigeria, als der Ogoni-Bürgerrechtler Ken Saro-Wiwa, eine der erbittertsten Kritiker von Shell, 1995 in einem Schauprozess zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Das Urteil von Den Haag ist nicht nur ein Sieg für die Ogoni, sondern ein herber Schlag gegen die Multis.

Angesichts der Herausforderung wünsche ich uns allen viel Energie und Mut in der Unterstützung des indigenen Selbstbestimmungsrechts.

Solidarische Grüße

Monika Seiller
Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V.
Frohschammerstraße 14
D-80807 München

+49-89-35651836 +49-173-9265932

post am/um/auf aktionsgruppe.de

www.aktionsgruppe.delink-external
Facebooklink-external
Indianer-Netzwerklink-external

Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. (AGIM) ist ein gemeinnütziger Verein (gegr. 1986) zur Unterstützung der Rechte der indigenen Völker Nordamerikas und Herausgeberin des Magazins COYOTE.

AGIM e.V. (Action Group for Indigenous and Human Rights, est. 1986) is a non-profit human rights organization dedicated to supporting the right to self-determination of Indigenous peoples in North America. We publish a quarterly magazine COYOTE.

Bankverbindung: IBAN DE28 7015 0000 0017 2234 70 / BIC: SSKMDEMM / Stadtsparkasse München

Schon gewusst? Wir versenden jeden Monat einen Email-Newsletter mit aktuellen Terminen und Informationen. Interessiert? Einfach eine Email mit dem Betreff “Newsletter bestellen” an post am/um/auf aktionsgruppe.de schicken.