Mit Henry Red Cloud auf Spurensuche
von Robert Stark
(veröffentlicht 3/2007)

An Kindersachbüchern zum Thema Indianer herrscht kein Mangel und nicht alle sind gleichermaßen empfehlenswert. Ergänzend zu unserem Artikel im letzten Coyote stellen wir in dieser Ausgabe ein frisch erschienenes Buch vor, dass wir nicht übergehen dürfen. Zum einen wird darin über das Büffelprojekt berichtet, in dem auch die AGIM involviert war. Zum anderen zählt das Buch zu den Indianerbüchern, die als besonders empfehlenswerte Lektüre für junge Leser gelten dürfen.

Insider mögen sich die Frage stellen, ob es gerade die Lakota-Indianer und deren schon vielfach erzählte Geschichte im 19. Jh. sein müssen, die in diesem Buch einen klaren Schwerpunkt bilden.

Doch liegt gerade in dieser Fokussierung auch eine besondere Chance. Das von mehreren Organisationen unterstützte Büffelprojekt machte es erst überhaupt ein Indianerkinderbuch möglich, dass wie kein anderes den Brückenschlag zur indianischen Gegenwart leisten kann. Die Beiträge des Ur-Ur-Enkels von Red Cloud, Henry Red Cloud, und engagierter Menschenrechtsaktivisten verleihen dem Buch Authentizität und Fachkompetenz aus erster Hand. Vielleicht gewinnen gerade durch die Popularität der Lakota zahlreiche junge Leser über die Lektüre dieses Buches Zugang zu einem Verständnis indianischer Wirklichkeit, der weit über die Beschäftigung mit der Zeit des „Wilden Westen“ und den üblichen Klischees hinausführt. Dass Indianer weißen Journalisten ihre Lebensgeschichte zur Publikation anvertrauen, ist nichts neues. Ein Kinderbuch ist auf diese Weise jedoch noch nicht entstanden und an Aktualität ist es nicht zu überbieten.

Die Geschichte der Lakota in den letzten 150 Jahren wird lebendig erzählt, wobei alle Epochen bis zur Gegenwart eine gleichwertige Berücksichtigung finden. Die Autorin bleibt nicht bei den Indianerkriegen stehen, zu denen in vielen anderen Büchern Ausblicke in die Reservatszeit und die Gegenwart nur eine Art knappes Nachwort darstellen, wenn überhaupt. Die Struktur der Erzählung ist so angelegt, dass sich ein Kreis schließt. Es sind jeweils die Großväter, die am Lebensabend ihren Enkelkindern in der noch verbleibenden Zeit mit Hingabe die Traditionen ihres Volkes lehren.

Dass dies nicht selbstverständlich war, sondern angesichts der Widrigkeiten im Verlauf der Geschichte der Lakota seit der Mitte des 19. Jh. geradezu an ein Wunder grenzt, wird durch die Schilderung der kulturellen Unterdrückung in der frühen Reservatszeit anschaulich vermittelt. Zugleich wird immer wieder aufgezeigt mit welcher Flexibilität große indianische Persönlichkeiten wie Henry Red Cloud oder Sitting Bull aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Welt der Weißen reagiert haben, ohne ihre Identität verleugnen zu wollen und immer auf der Suche nach dem bestmöglichen Weg zur Existenzsicherung ihrer Stammesbrüder: Häuptling Red Cloud wird vom erfolgreichen Kriegsstrategen zum Befürworter einer friedfertigen Auseinandersetzung. Sitting Bull entwickelt als Teilnehmer an Buffalo Bills Wild-Westshow rasch Geschäftssinn. Später gilt sein ganzer Einsatz wieder seinem notleidenden Volk.

In dieser Tradition steht auch Henry Red Cloud, der wie seine berühmten Vorfahren - allen Widrigkeiten zum Trotz - im Verlauf seines Lebens lernt, die ihm von seinem Großvater anvertrauten Lehren und Visionen umzusetzen und erfolgreich eine Büffelzucht aufzubauen, die zugleich Keimzelle für weitere Betriebe bei anderen Lakota-Familien sein soll. Dass auch die modernen Indianer dabei Mut, Durchhaltevermögen und Durchsetzungskraft unter Beweis stellen, wird im Buch überzeugend vermittelt.

Ein Kindersachbuch aus der Reihe „Abenteuer & Wissen“ von Maja Nielsen. Fachliche Beratung von Claus Biegert und Cornelia Bauer. Erschienen im Gerstenberg Verlag, Hildesheim. 62 Seiten mit zahlreichen Illustrationen. Preis: 12,90 €.
Das Buch ist auch als Hörbuch bei headroom sound production, Köln, erschienen.