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Free Land

Free Land (Plakat) Spurensuche im Mosaiklink

„Free Land“ von Minda Martin

von Monika Seiller
(veröffentlicht 4/2010)

Im Rahmen des Underdox-Filmfestivals, das vom 30.09 bis 06.10.2010 in München stattfand, wurde der Film „Free Land“ der amerikanisch-indianischen Filmemacherin Minda Martin in deutscher Erstaufführung gezeigt. Das Filmfest, das sich dem Schnittpunkt von „Dokument und Experiment“ widmet, bildete den richtigen Rahmen für die experimentelle Arbeit der 1971 in Tucson geborenen Filmemacherin. Gleichsam inmitten eines Mosaiks aus Dokumenten, alten Bildern, Karten, Filmausschnitten, Interviews und persönlichen Erinnerungen begibt sie sich auf die Suche nach den Spuren ihrer Familie.

“Ich wollte einfach die Wurzeln der Armut und Heimatlosigkeit meiner Familie verstehen und stieß dabei auf eine nationale Geschichte von Vertreibung und Verlust”, erklärte Minda Martin im Gespräch mit Coyote anlässlich der Vorstellung ihres Films in München den Impuls zu ihrem einstündigen Film.

Minda Martin ist nicht auf dem Reservat aufgewachsen und mit ihren indianischen Wurzeln hat sie sich in der Kindheit und Jugend nie befasst. Die Mutter, die sie bereits im Alter von 16 Jahren verlor, war zwar Cherokee-Indianerin, aber ihr Vater ist ein Weißer und das indianische Erbe war nie Thema in der Familie. Minda hat die Sprache ihrer Mutter nie gelernt. Und doch gab es da etwas Unergründetes, eine Geschichte der Familie, die sich langsam, aber unaufhörlich in das Leben der Heranwachsenden schob. Warum war ihre Mutter Alkoholikerin geworden, warum war ihr Urgroßvater 72 Mal im Leben umgezogen, warum hielt es ihr Großvater nicht an einem Ort aus und wechselte 43 Mal seinen Wohn- und Arbeitssitz – woher kam all diese Ruhelosigkeit? „We have never been able to get to that place they call HERE”, heißt es im Film. Das Hier, der Ort, an dem ihre Familie endlich eine Heimat hätte finden können, gab es nicht mehr.

Minda Martin 2010 (Foto: BR ON3) Wer sich auf die Suche nach den Zeugnissen der eigenen Familiengeschichte macht, hat es in indianischen Gemeinschaften besonders schwer. Briefe, Photoalben und dergleichen waren und sind in indianischem Familien, die immer noch vom Erbe einer mündlichen Kultur geprägt sind, nicht häufig zu finden. Minda Martin bedient sich daher eines anderen Fundus – der Zeitgeschichte.

So bruchstückhaft und zersplittert wie die Familienzeugnisse sind, so verwendet die Filmemacherin auch die Dokumente der Vergangenheit – alte Filmausschnitte, farblich verfremdet, verzerrt, animiert, collagiert mit Pho-
tos, Dokumenten und Schnipseln. Dazwischen die wenigen Zeugnisse der eigenen Biographie – ein paar
Photos mit den Großeltern, bei denen sie aufgewachsen ist, ein paar Super-8-Fetzen mit ihrer längst verstorbenen Mutter. Minda Martin schafft damit eine Bilderwelt, die nur scheinbar bunt miteinander vermischt ist.

Die Wurzel, die sie sucht, hat einen Namen: Henry Dawes. Der amerikanische Senator war Namensgeber für
eines der verheerendsten Gesetze der indianischen Geschichte, den „Dawes Act“ von 1887. Auch als „General Allotment Act“ bekannt, verfügte das Gesetz die Parzellierung und Zersplitterung des Reservatslands – die Folge waren Elend und Vertreibung: Entwurzelung.

„Go West“, der Schlachtruf der amerikanischen Pioniere und Glücksritter sollte für die Cherokee eine ganz andere Bedeutung entfalten. Schon durch den „Indian Removal Act“ von 1830 waren alle Stämme östlich des Mississippi vertrieben worden und die Cherokee wurden nach Oklahoma verdrängt. Wer nicht auf dem „Trail of Tears“ schon auf der Strecke geblieben war, musste einen neuen Platz in der Welt der Weißen finden. Die Entwurzelung führte so ihre Familie über den Kontinent, u.a. zurück nach Georgia und Tennessee und schließlich nach Arizona. Im Land von Cowboys und Indianern erging es letzteren meist wie im Wildwest-Film: sie hatten keine Chance gegen die weiße
Landgier. Wo nicht Farmer und Rinderbarone sich das Land aneigneten, waren es Goldgräber oder die wach-
senden Städte.

Einer ihrer Vorfahren im 19. Jahrhundert hieß tatsächlich Henry Freeland, doch der Name mutet an wie eine
Farce, denn “free land” war der Lockruf für die Weißen, denen das Land der Indianer als “freies” Land galt, das
man sich jederzeit aneignen konnte. Im „Goldenen Westen“ gab es bald kein Land mehr zu verteilen.

In jahrelanger, mühsamer Kleinarbeit trug Minda Martin diese Zeugnisse zusammen, um ihren Dokumentarfilm zu realisieren. Aufgewachsen in Tucson studierte sie Kunst- und Literatur an der University of Arizona und machte ihren Abschluss am California Institute of the Arts im Fach Film-/Videoproduktion. Sie unterrichtet an der California State University Medientheorie und Kunst und dreht seit Mitte der 90er Jahr Kurzfilme, Free Land ist ihr erster Langdokumentarfilm.

Free Land
USA 2009, MJM productions.
Drehbuch, Produktion, Regie, Schnitt: Minda Martin.
Link: Trailer auf IMDblink-external

Erstellt von oliver. Letzte Änderung: Samstag, 11. Juli 2020 12:28:42 CEST von oliver. (Version 7)

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