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Buffy Sainte-Marie: Coincidence and Likely Stories

Buffy Sainte-Marie 2015 (Foto: Drpeterstockdale) “Sie machen die Welt zu Wechselgeld”
von Putney Swope
(veröffentlicht 1992)

Nach über einem Jahrzehnt Familienpause legt Buffy Sainte-Marie wieder ein Album vor. Es ist gerade einmal ein Vierteljahrhundert vergangen seit jenem Summer of Love mit dem spätestens die Hippie-Zeit auf ihrem Höhepunkt angelangt war. Ein Lied jener Zeit, welches noch heute gelegentlich im Radio zu hören ist, war damals in der Version des europäischen Dylan, Donovan Leitch, ein Hit, dessen Autorin, den meisten Zuhörern damals wie heute kaum bekannt, die vielleicht erfolgreichste indianische Musikerin überhaupt ist. Der oft mit “Blowing in the Wind” verglichene “Universal Soldier” stammt von Buffy Sainte-Marie. Die Cree-Indianerin legte in den Siebziger Jahren eine Reihe von Platten vor, die noch heute hörenswert sind. Die Aussagen ihrer Texte wie etwa “Cod’ine” über bittere Erfahrungen mit Medikamentenmißbrauch auf den Reservaten und der verzweifelte Versuch, aus dem Teufelskreis von Armut, sozialer Not und Alkoholismus auszubrechen, sind noch heute gültig. Wen wundert es, daß sich Buffy Sainte-Marie auch schon für die Lubicon Cree engagiert hat, unter anderem auch mit einem Benefizkonzert.

Buffy Sainte-Marie gilt als Starke Frau, eine die sich wehrt gegen die Unterdrückung der Eingeborenen Amerikas, und so sind viele ihrer Lieder auf der neuen Platte stark autobiographisch geprägt. Auf die Gefahr hin gründlich mißverstanden zu werden: Nach außen hin auftretende Frauen sind in nach außen von Männern dominierten Cree-Gesellschaften und nicht nur dort Zeichen einer Krise. Sie werden ausgelöst von der Perspektivlosigkeit einer Jägergesellschaft, deren männliche Angehörige ihrer sozialen Rolle als Ernährer beraubt wurden. Die Aggression der Männer in diesen Gesellschaften richtet sich nicht selten zuerst gegen die Frauen, eine wenig bekannte Tatsache, auf die Buffy Sainte-Marie mit dem Lied “Free The Lady” aufmerksam machte.

Glücklicher ist da schon das Lied von Emma Lee und ihren Woman’s Ways, das die Geschichte einer gewonnenen Freiheit indianischer Frauen im Umgang mit Männern darstellt. Inhaltlich nimmt Buffy Sainte-Marie ihre Hörer auf einen ausgedehnten Streifzug durch die indianische Welt Nordamerikas mit.

Einer der herausragenden Tracks ist sicher “Bad End”, eine kurze Geschichte über Drogenabhängigkeit und Verzweiflung, die längst aus den Großstädten auch auf die Reservate übergegriffen hat. Schräge Gitarren, deren Sound noch auf die Zeit verweist, in der die Drogen zur Landplage der kaputten euroamerikanischen Gesellschaft wurden, ein harter Beat künden vom “schlechten Ende” einer drogenabhängigen Hure in der “Border-Town”.

Eine neue Version von “Starwalker”, einem Song von der letzten Platte “Sweet America”, kommt in einem unverändert kämpferischen Gewand daher. Ein überzeugend vorgestelltes Portrait des traditionalistischen, jungen Kriegers, der auch in anderen Medien von anderen Autoren thematisiert wurde.

Nach meinem unmaßgeblichen Geschmack der beste Song auf der Platte: “The Priests Of The Golden Bull”, dessen Sprechgesang die bitteren Erfahrungen der Indianer mit den “Geldfixern” durch die nötige Intensität vermittelt. Geblieben ist Sainte-Maries Versuch, die für europäische und euroamerikanische Ohren nur schwer zu würdigenden indianischen Gesangsstile und Harmonien in den Kontext zeitgenössischer amerikanischer Musik einzuflechten. Durchaus gelungen ist dies im Fall von “Bury My Heart At Wounded Knee”. Dieser vorletzte Titel über Gegenwart und jüngere Geschichte der Sioux-Reservation Pine Ridge, mit eben solchen Harmonien im Hintergrund, ist dann neben dem düsteren Lied “Disinformation”, dessen Refrain der Produktion den Titel lieh, einer der stärkeren und aggressiveren auf der zweiten Seite.

Erstellt von oliver. Letzte Änderung: Montag, 11. Januar 2021 22:22:03 CET von oliver. (Version 5)